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Wie familienfreundlich und kulturfreundlich ist Jülich?

Rede zum Neujahrsempfang von Stadtmarketing e.V. und Stadt Jülich am 9. Januar 2025 von Dorothée Schenk.

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Dorothée Schenk. Foto: PPP
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Wie familienfreundlich und kulturfreundlich ist Jülich?
Das ist die Fragestellung des Abends. Eigentlich wäre ich ganz schnell fertig. Ich könnte einfach sagen: Gut. Dann könnten wir zu den Kaltgetränken und zu den Häppchen und könnten gesellig sein. Aber so ganz so schnell geht das natürlich nicht.

35.000 Einwohner – wir haben gerade dieses besondere Ereignis feiern können – können irren. Ist das denn schon ein Zeichen für die Willkommenskultur in Jülich?

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Ich oute mich ganz ohne Schwierigkeiten: Ich bin ein großer Fan unserer Herzogsstadt. Das war ich in der Form aber nicht immer, denn als ich bin hier aufgewachsen und erst mal hinaus in die weite Welt. Ich habe gesagt: Jülich, das ist mir zu klein! Da möchte ich nicht bleiben. Ich bin über Süddeutschland, einen längeren Auslandsaufenthalt und den Niederrhein wieder hierher zurückgekommen. Nicht ganz freiwillig, sondern weil der Mann an meiner Seite hier eine Arbeitsstelle fand. Wenn man zusammenbleiben möchte, geht man auch zusammen an den Ort des Broterwerbs. Ich habe das mit großer, großer Skepsis getan. Erst durch die Kinder bin ich wieder richtig in Jülich angekommen.

Ich habe gelernt die Infrastruktur zu schätzen und die Stadt wieder zu lieben.

Denn Jülich ist ein Ort der kurzen Wege – kurze Wege für kurze Beine – das fand ich schon immer gut. Und es ist ein Ort der Kommunikation. Unsere Stadt atmet Kultur und Geschichte, und zwar aus sich heraus. Die große These: Von der Wiege durch die Ausbildung bis zum Seniorenalter kann man sich in Jülich gut aufgehoben fühlen. Das ist für mich genau der Inbegriff für einen familienfreundlichen Ort, für ein familienfreundliches Jülich.

Über dem allen steht ein Netzwerk und Mundpropaganda. Wer in Jülich nicht spricht, dem kann auch nicht geholfen werden.

Verschaffen wir uns einen kurzen Überblick über die Infrastruktur. Haben Sie gewusst, dass Jülich einen eigenen Kinderstadtplan hat?

Der ist leider schon etwas in die Jahre gekommen und etwas versteckt auf der Homepage, aber jeder, der bei einer Suchmaschine den Begriff „Kinderstadtplan“ und „Jülich“ eingibt, der landet auf der richtigen Seite. Das Problem ist bei uns in der Stadt: Das Gute „versteckt sich“ schon mal und deswegen ist es mir heute so wichtig, das Gute einmal sichtbar zu machen und nach vorne zu bringen.

Wenn man auf die Infrastruktur blickt, dann ist, wenn man über Kinderfreundlichkeit spricht, ist die Zahl der Kindertagesstätten wichtig. Sie sind im Kreis Düren durch die Kreismäuse gebührenfrei. Außerdem ist in fast jedem der 15 Ortsteile Jülichs ein Kindergarten fußläufig zu erreichen. Es gibt zwei im Heckfeld, es gibt drei im Nordviertel, es gibt zwei in Jülich Ost und natürlich auch in der Innenstadt gibt es Kindergärten. Es gibt eine Einrichtung am Forschungszentrum – die kleinen Füchse – und dann gibt es auch noch in der Fachhochschule, Campus Jülich, das Wolkennest.
Also ich würde mal sagen, wir sind bestens ausgestattet im Sinne Familienfreundlichkeit.

Dazu kommen vier Familienzentren inklusiv und vielfältig in Broich etwa mit tiergestützter Therapie. Es gibt Bücherkita im Nordviertel bei den kleinen Strolchen. Mit den schweren Bewegungen in Koslar-Barmen und interkulturell in Lich-Steinstraß.

Nächster Schritt, wenn die Kinder größer werden, ist der Blick auf die Grundschulen; wir haben fünf mit unterschiedlichen pädagogischen Konzepten. Geboten wird jahrgangsübergreifender und klassischer Jahrgangsbezogener Unterricht; wir haben auch inklusiven Unterricht, wie hier zu sehen in der katholischen Grundschule. Das heißt, Eltern können auswählen. Das ist sicher auch nicht selbstverständlich in einer Stadt, die sich Mittelzentrum nennt und die, wie wir immer sagen „zu klein für ihre Größe“ ist.

Es gibt vier weiterführende Schulen. Früher waren es mal fünf, bevor die Realschule und die Hauptschule in der Sekundarschule aufgegangen. Jetzt haben wir noch drei Gymnasien, darunter eine Europaschule, und ein Berufskolleg. Wir haben also viermal die Möglichkeit, hier in Jülich Abitur zu machen.

Es geht weiter am Campus der FH Aachen auf der Merscher Höhe. Und für lebenslanges Lernen steht die Volkshochschule Jülich.

Die „moderne Forschungsstadt“ steht neben der historischen Forschungsstadt in unserem Stadtslogan. Wir haben also einen Schwerpunkt in Richtung Forschung. Am Science College können sich Nachwuchswissenschaftler erproben. Das fängt aber schon bei Workshops für die Grundschulen an. Gemeinsam hat das Science College mit dem Verein „Erfindergeist“ eine Fahrradwerkstatt gegründet, sodass auch ganz niederschwellig junge Leute an den MINT-Bereich herangeführt werden. Außerdem bietet Erfindergeist eine Werkstatt in der Awo an und regelmäßig das Repair Café für alle Menschen, die Nachhaltigkeit pflegen. JULAB im Forschungszentrum ist auch ein wichtiger Anlaufpunkt und wir dürfen nicht vergessen, dass wir alljährlich Gastgeber von „Jugend forscht“ sind. Auch das ist eine wichtige Marke für Jugendliche.

Jugendliche können drei Einrichtungen besuchen in der Stadt: Das Bonhoeffer-Haus, Roncalli-Haus und Gleis13. Das Wichtige ist auch hier das Netzwerk: Man geht aufeinander zu. Das bedeutet, man zockt zusammen, man spielt zusammen Fußball, aber man widmet sich auch politischer Bildung. Hier gibt es im Augenblick eine Allianz, die sehr wichtig ist. Da geht es um Workshops zur Meinungsbildung von Jugendlichen und zum verantwortungsvollen Umgang mit sozialen Medien.

Gemeinsam hat man sich auch dem Thema Bolzplätze gewidmet. Es gibt einen, den ich ganz besonders empfehlen möchte: hinter der Düsseldorfer Straße hinter dem Schirmer-Quartier gibt es einen Fitnesspark. Da wird auf Zettel erklärt, wie man die Geräte benutzen kann. Kostet nichts. Kann man einfach hingehen, Openair. Alles wunderbar. Und die Pumptrack-Anlage haben wir im Jülich auch für Jugendliche.

Diese Angebote sind durch Jugendliche angeregt worden. Der Bürgermeister und die Politik haben sie ernst genommen und sie umgesetzt. In Jülich wird die Jugend beteiligt an politischer Bildung. Seit 20 Jahren gibt es das JuPaJü, das Jugendparlament das Ende des Monats das Jubiläum feiert. Ältere können politisch in Ausschüssen und Gremien der Stadt aktiv werden und später im Seniorenbeirat der Stadt. Man kann, wenn man möchte, sich auch im Arbeitskreis Inklusion beteiligen.

Das große Motto, das in Jülich über allem steht, ist, „füreinander, miteinander“
Es ist ein Markenzeichen.

Was auch ein Markenzeichen mal war und was man ja vielleicht wiederbeleben kann, ist das „Prädikat kinderfreundlich“. Die Stadt hat Anfang der 2000er Jahre Firmeninitiativen, ehrenamtliche Gruppierungen, Einzelpersonen geehrt, die sich in besonderer Weise für Kinder und Familien einsetzen. Der Verein „Kleine Hände“, dessen Vorsitz ich 11 Jahre innehatte, erhielt die Auszeichnung 2006 und wurde dann zum 30-Jährigen nochmal erneuert für die Verdienste um die Kinder und Familien in Jülich ausgezeichnet.

Die Stadt hat 70 Sportvereine. Die traditionellen – wie Fußballvereine_, ungewöhnliche – wie Baseball –, solche die Landesliga und Bundesliga tauglich sind.
Wir haben knapp 50 Brauchtumstreiber, Karnevalsschützen, Maigesellschaften, geschichtsaffine Vereine, Dorfvereine, den Kunstverein, wie wir ja eben ausführlich hören konnten. Es gibt Musikvereine, Chöre und Theaterensemble und Vereine, die das internationale Leben abbilden. 120 Nationen wir freuen uns immer wieder, das sagen zu können, sind hier in den Stadtgrenzen von Jülich zu Hause.

Ja, und trotzdem, und trotzdem meckern immer alle, dass in Jülich nichts los ist. Das stimmt nicht.

Also mal abgesehen von den steinernen Zeitzeugen Napoleonischer Brückenkopf und Zitadelle, wissen wir: Alles was vor der eigenen Nase liegt, sieht man nicht. Also gucken wir nochmal ein bisschen genauer hin.

Welche Stadt dieser Größe verfügt über ein Hallenbad, der Wassersportverein tummelt sich da sehr engagiert, ein Freibad – und wer dann kostenlos schwimmen möchte, weil er sagt, ich möchte weder das eine noch das andere bezahlen, der geht an den Barmener-Baggersee.

Dazu haben wir den Kulturbahnhof als gute Stube für Vereine und Veranstaltungen und bietet jede Woche – welche vergleichbare Stadt hat das? – ein eigenes Kinoprogramm, das auch noch ausgezeichnet ist und jedes Jahr wieder aufs Neue ausgezeichnet wird für sein Kinder- wie für das Erwachsenenprogramm.

Wir haben darüber hinaus direkt einmal über die Rur und über die Brücke natürlich den Familien- und Freizeitpark Brückenkopf-Park mit beispielsweise Minigolf-Anlage, Soccerplatz, Skaterbahn, Disk-Golf und eigenem Zoo. Mit einem Jahresbeitrag – das ist der nächste Werbeblock, aber Stadtmarketing lebt ja von der Werbung – von 25 Euro können Erwachsene 365 Tage im Jahr dort zu Besuch sein. Kinder zahlen 10 Euro. Ich weiß das auch deswegen so genau, weil der Verein „Kleine Hände“ jedes Jahr etwa 100 Erwachsenen und 250 Kindern diese Dauerkarten schenkt. Wir haben den Urlaub vom Alltag direkt vor der eigenen Haustür! Dazu gehören die Muscheln als Veranstaltungsort.

Wichtig ist auch noch Stadtbücherei. Sie macht den Jüngsten jetzt das Lese-Lämpchen an und trägt auch seit 2008 das „Prädikat familienfreundlich“. Der nächste Werbeblock: Ein Leseausweis in der Stadtbücherei ist für Kinder unter 18 Jahren kostenfrei. Der Familienbeitrag kostet 30 Euro im Jahr. Auch das wissen viele nicht.

Wir haben eine ortseigene Musikschule. Das ist ein Generationenprojekt – und damit wieder familienfreundlich vom Kind bis zur Bahre. Da ist die musikalische Früherziehung genauso zu Hause wie Veehharfenkurse für Senioren. Rund 700 Schülerinnen und Schüler zählt die Musikschule bis heute.

Kultur ist auch eine Form von Marketing für die Stadt. Und sie findet tatsächlich in Jülich vielfach kostenfrei statt.

Der Kinderkultursommer ist Dank des Sponsorings für die Kinder und Jugendlichen kostenfrei.
Wir haben das Renaissance-Picknick, das im Schatten der Zitadelle den Renaissance-Garten zu einer Spielwiese macht – Eintritt frei.
Der KulturRucksack, Kreativangebote des Museums Zitadelle, – weitgehend kostenfrei – übrigens auch der Mini-Montag, Eintritt für Mütter mit Kleinstkindern in der Landschaftsgalerie im Kulturhaus am Hexenturm – Eintritt frei.
Aber nicht nur für die Kinder haben wir, auch für die Erwachsenen haben wir Kultur, die frei zugänglich ist. Die „Wege zur Kunst“, die Peter Schmitz, der inzwischen verstorbene Preisträger des Stadtmarketing-Preises, hat initiiert. Skulpturen sollen die Strecke zwischen Brückenkopf-Park und Solartürmen verbinden. Da hapert es noch etwas an der Umsetzung. Die erste, die umgesetzt sein wird, ist die Pasqualini-Statue auf dem Marktplatz von Maria Fernandez – die übrigens ebenfalls mit dem Stadtmarketing-Preis ausgezeichnet ist.

Kunst erleben kann man im Kunstverein kostenfrei, in der Kulturwerkstatt, in der Galerie an der Zitadelle und jedem 1. Sonntag im Monat im Museum Zitadelle.

Und auch Musik gibt es kostenfrei, nämlich beim Kirchenklang in der Christuskirche etwa oder bei der Matinee in der Propsteikirche an jedem dritten Samstag im Monat.

„Familien und Kulturfreundlichkeit“ ist ein Standortfaktor auch ein Wirtschaftsfaktor für eine Stadt. Dazu bietet die Handelskammer sogar eigene Workshops an. Für Jülich findet man Fakten und Details zusammengetragen auf der Seite von Jüwork-Jülife.

Zu einer familienfreundlichen Stadt gehört aber auch dazu, dass sie nicht nur, wenn es einem gut geht, ein Zuhause bietet, sondern auch dann, wenn die Zeiten beschwerlicher und schwieriger werden. Hierzu ist damals mit der ehemaligen Dezernentin Doris Vogel gemeinsam das Netzwerk „Jülich hilft“ aufgebaut worden. Das ist eine Internetseite, auf der alle Vereine zu finden sind, die sich für Menschen in Not engagieren. Dazu gehören natürlich auch die „Kleinen Hände“, „fairkauf“, die „Tafel“, das AsF-KleiderLädchen; alle sogenannten existenzsichernden unterstützenden Vereine.

Darüber hinaus gehören dazu aber auch Dinge, die für Begleitung wichtig sind. Der SkF beispielsweise bietet seine Lernstuben an. Da gibt es die Initiative Hand in Hand, die Menschen begleitet, die nicht alleine zu Ämtern gehen können oder ihre „Papiere“ bewältigen können. Und es gibt natürlich auch das wunderbare Angebot der Familienpatenschaften. Wir haben ja viele Menschen in Jülich, die ohne Familie zuziehen. Sie haben dann keine Großmutter und keine Tante Onkel an der Seite die dann mal im Notfall einspringen können. Das garantieren Familienpatenschaften. Und dann gibt es beispielsweise den Verein „Menschsein e.V.“. Ein Verein, der Senioren ermöglicht, an Veranstaltungen teilzunehmen oder der Verein bietet selbst Veranstaltungen an, damit Senioren etwas unternehmen können.

Meine These: Wer in Jülich durchs Netz fällt, der kennt einfach niemanden.

Wir haben viel, auf das wir in Jülich stolz sein können.
Ich bin trotzdem nicht blind dafür, dass wir zwar ausreichend Kita-Plätze haben aber zu wenig Personal. Wir wissen, dass wir reichlich zu tun haben im Nachbessern oder dem Aufbau der OGS-Plätze. Und auch, dass wir in Grenznähe seit meiner Jugend, vergleichsweise einfach an Betäubungsmittel jeder Art kommen. Auch das ist Thema in Jülich.

Es ist aber die Frage: Von wo aus richtig wir den Blick auf die Stadt?

Ich bin der Überzeugung, dass der Blick motiviert, der uns zeigt, welche Potenziale wir haben, was wir bieten. Mehr geht immer, das wissen wir. Aber unsere Startposition ist ausgesprochen komfortabel. Seien wir uns dessen bewusst.

Das wäre mein Wunsch für das Jahr 2025.

Zum Artikel „Gut aufgehoben in Jülich“

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Dorothée Schenk
HERZOGin mit Leib und Seele. Mein HERZ schlägt Muttkrat, Redakteurin gelernt bei der Westdeutschen Zeitung in Neuss, Krefeld, Mönchengladbach und Magistra Artium der Kunstgeschichte mit Abschluss in Würzburg. Versehen mit sauerländer Dickkopf und rheinischem Frohsinn.

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