Gesetzliche Bestimmungen regeln den Eingriff in Körper und Gehirn. Dazu gehört die Tiefe Hirnstimulation, die beispielsweise Parkinson-Patienten hilft, den Tremor zu verringern. Gleichzeitig profitieren nicht alle Patienten gleich gut von solchen Eingriffen und es können mit dieser Behandlung Nebenwirkungen einhergehen, die auch Änderungen der Persönlichkeit betreffen. „Daraus können sich schwierige Abwägungen ergeben, etwa: Wann sind Eingriffe gerechtfertigt mit Wissen um die möglichen Nebenwirkungen, vor allem wenn die Betroffenen auf Grund von kognitiven Einschränkungen nicht mehr aktiv zustimmen können?“ gibt Katrin Amunts zu Bedenken. „Mitunter wird dieses Verfahren auch bei Demenzerkrankungen angewendet; dort ist der Nutzen jedoch Gegenstand intensiver Diskussion, anders als bei Bewegungsstörungen.“
Auch bei der Gabe von pharmakologischen Substanzen, die das Gehirn und letztlich die Persönlichkeit beeinflussen können, stellen sich aus ethischer Sicht Fragen, insbesondere, wenn es sich um Kinder handelt. So wird zunehmend auch schon Kindern mit einer leichten oder mittelschweren ADHS Ritalin verschrieben. „Hierdurch kann gesellschaftlicher Druck auf die Eltern entstehen“, erklärt Katrin Amunts. „Eine Studie aus Kanada hat gezeigt, dass die Verschreibung von Ritalin stark angestiegen ist, nachdem sich die gesetzlichen Bestimmungen zur Verschreibung verändert hatten und nun auch insbesondere viele Jungen mit leichter Symptomatik zunehmend Ritalin einnahmen. Dabei gibt es auch bei dieser Therapie Risiken, die man gegen einen möglichen Nutzen abwägen muss.“
„Beim sogenannten Neuro-Enhancement nehmen auch gesunde Erwachsene beispielsweise Ritalin ein, um die geistige Leistungsfähigkeit und – Dauer zu erhöhen“, so Amunts. „Die ethischen Fragen sind hier andere als bei Kindern. Viele Kollegen plädieren für einen positiven Umgang mit Neuro-Enhancement, wenn die Bedingungen dafür ausreichend geklärt sind. Jedoch sind die genauen Mechanismen, insbesondere in der Langzeitperspektive, noch nicht zureichend verstanden.“
Ein weiteres Thema sind die wachsenden Möglichkeiten durch Verfahren der Künstlichen Intelligenz Gesundheitsdaten über soziale Netzwerke zu erfassen und effektiv auszuwerten. „Mit Hilfe von Big Data Analysen können gesundheitsrelevante Kenntnisse der Nutzer gewonnen werden, die weit über das hinausgehen können, was die Person öffentlich machen will“, beschreibt Katrin Amunts die derzeitigen Möglichkeiten. Die Analyse von natürlicher Sprache, Internetverhalten, Bewegungsmustern, usw. ermöglicht zunehmend Einblicke in den individuellen Gesundheitszustand und bietet Ansatzpunkte, das Verhalten zu beeinflussen, ohne dass es für die Person ersichtlich wird.
Katrin Amunts engagiert sich im Ethikrat vor allem zu den Themen neurowissenschaftliche Forschung, Gehirn und Alterung, Datenwissenschaften sowie Biomedizinische Fragestellungen. Neben der Institutsleitung in Jülich ist sie Direktorin des Cécile und Oskar Vogt-Instituts für Hirnforschung des Universitätsklinikums Düsseldorf. Die Forscherin ist seit 2016 zudem wissenschaftlichen Leiterin des Europäischen Human Brain Projects. Das europaweite Projekt verbindet Neurowissenschaft mit Technologieentwicklung und betreibt – als einzige der großen Hirnforschungsinitiativen weltweit – eine eigene Abteilung für Ethik.