Zum Standardprogramm der Kreissynode im Herbst gehörte wie jedes Jahr die Verabschiedung des Haushaltplanes. Aber angesichts der aktuellen und der zu erwartenden Finanzsituation der Kirche war die Beratung zu diesem Tagesordnungspunkt alles andere als Standard. War es in den vergangenen Jahren eher eine Sache der Kenntnisnahme, so musste in diesem Jahr über massive Einsparungen und Kürzungen geredet werden. Der Stellvertretende Leiter der Jülicher Verwaltung, Mirko Sobetzko, konnte berichten, dass beispielsweise im Bereich der Diakonie eine Reihe von Stellen im kommenden Jahr wegfallen müssen. Und auch bei der Verwaltung, den Beratungsstellen, dem Jugendreferat oder der Erwachsenenbildung gilt es, möglichst sinnvoll den Rotstift anzusetzen.
Da die Gemeinden mittels Umlage den kreiskirchlichen Haushalt finanzieren, haben sie natürlich ein großes und verständliches Interesse daran, dass eingespart und gekürzt wird. Wobei zu sehen ist, dass etwa die kreiskirchliche Verwaltung viele Aufgaben für die Gemeinden leistet.
Superintendent Jens Sannig benannte in seinem Bericht zunächst gesellschaftliche Herausforderungen wie das Erstarken der AfD („die größte Gefahr für unsere Demokratie“), die Friedenssehnsucht der Menschen angesichts der weltweit geführten Kriege oder die Folgen der Naturkatastrophen auch im Bereich des Kirchenkreises.
Nicht erst die ForuM-Studie zur sexualisierten Gewalt in der evangelischen Kirche, die im Januar veröffentlicht wurde, habe unter dem Motto „Wahrnehmen. Handeln. Schützen“ dazu geführt, dass es im Kirchenkreis und seinen Gemeinden verbindliche Schutzkonzepte gibt. Und dass ein kreiskirchliches Interventionsteam bereit steht, um in Fällen sexualisierter Gewalt helfend einzugreifen. Die Kirche habe in der Vergangenheit schändlich versagt. Daraus seien die Konsequenzen zu ziehen:
„Ein erstes: Anerkennen, nicht leugnen. Ein zweites: Klarheit. Klar und eindeutig auf der Seite der Betroffenen stehen. Ein drittes: Aufarbeiten. Ein viertes: Strukturen schaffen für die Anerkennung, Klarheit, Aufarbeitung, Prävention.“
Im Mittelpunkt seines Berichtes standen Ausführungen zur Zukunft der Kirche. „Die Zeit der Parochie ist an ihr Ende gekommen. Strukturen, die mich über Jahrzehnte begleitet und gehalten haben, brechen ab. Kirchenaustritte in nicht gekannter Dimension erfassen auch unseren Kirchenkreis.“ Es stehe ein Systemwechsel an. Gewohntes werde man aufgeben müssen, neue Wege seien zu beschreiten. Die Basis aller Gedanken und Ideen zur Zukunft der Kirche sei es, zunächst den Realitäten ins Auge zu schauen.
Das Ende der bisherigen Gestalt der Kirche sei nicht das Ende der Kirche. Schon jetzt gebe es auch im Kirchenkreis Beispiele, wie Kirche künftig aussehen könne. „Was uns schmerzt in diesem Sterbeprozess ist, dass wir das Ende klar vor Augen haben, es aber nicht wahrhaben wollen und wir vor allem nicht wissen, was kommt und wie es weitergehen kann. Aber das wiederum lehren uns die biblischen Geschichten Gottes mit den Menschen durch alle Zeit: Es geht weiter. Auch mit unserer Kirche.“ Wichtig sei, dass auch künftig Kirche an der Seite der Menschen zu finden bleibe. Und da gebe es viele gute Möglichkeiten, die bereits mit Erfolg ausprobiert würden.
Im Anschluss an den Bericht des Superintendenten und in Arbeitsgruppen diskutierten die Synodalen engagiert und mit viel Herz über das, was auf die Kirche und die Gemeinden zukommt. Es wurden die Ängste deutlich, die dieses Thema naturgemäß mit sich bringt. Ratlosigkeit kam zur Sprache. Die Sehnsucht, möglichst viel vom Gewohnten und Bewährten zu erhalten. Weiterhin nahe bei den Menschen zu sein. Jeweils vor Ort Präsenz zu zeigen.
Auf der anderen Seite konnte man berichten von zunehmend gelingender Zusammenarbeit über Gemeindegrenzen hinweg. Oder von Beispielen neuer Gottesdienstformen und -Orte. Oder von Beispielen neuer Formen von Seelsorge. Für die Diskussion aller Aspekte dieses schwierigen Themas war ausreichend Platz, der von den Synodalen intensiv wie selten genutzt wurde.
Dr. Azarias Lumbela leitet im marokkanischen Oujda das Projekt „Vivre Espoir“, das vom Kirchenkreis Jülich, von der Evangelischen Kirche im Rheinland und anderen Organisationen finanziell unterstützt wird. Hier werden minderjährige unbegleitete Flüchtlinge beherbergt und betreut. Einigen kann eine Ausbildung ermöglicht werden. Dr. Lumbela war in diesen Tagen zu einem Vortrag und zu Gesprächen nach Deutschland gekommen. In Düren hatte er Gelegenheit, den Synodalen ein Grußwort zu sagen.
„Wir haben gemeinsam das Projekt Vivre Espoir in Oujda begonnen mit der Zielsetzung Flüchtlinge und Migranten aufzunehmen, zu schützen, sie zu unterstützen und zu integrieren. Dieses Projekt ist ein kleines Licht in unserer düsteren Welt, in der wir leben. Bei jedem Migranten, der an unsere Tür klopft, gibt es für uns die Chance, die Liebe Jesu Christi zu leben, ohne Diskriminierung und ohne Vorurteil. Ohne unsere Unterstützung sind die Migranten sich selbst überlassen, der Gewalt ausgeliefert, ohne jegliche Fürsorge, und sie sind mit dem Risiko der Abschiebung konfrontiert. Vom Januar bis Juni dieses Jahres haben wir 1.640 Migranten aufgenommen, die Schutz suchten. Die Zahlen steigen weiter von Jahr zu Jahr. Mit diesem Projekt wird die Mission der weltweiten Kirche erfüllt.“ Er dankte dem Kirchenkreis für die Unterstützung und bat darum, auch künftig gemeinsam diese Arbeit zu ermöglichen.
Die Synode beschloss angesichts der aktuellen Vielzahl von Kriegen die Bitte an die Gemeinden des Kirchenkreises, die Friedensthematik auf die aktuelle Tagesordnung ihres Denkens und Handelns zu setzen. Über die Erwachsenenbildung im Kirchenkreis sollen 2025 in den unterschiedlichen Regionen Diskussionsveranstaltungen und Austauschräume zu diesem
Thema ermöglicht werden. Im Sommer und Herbst 2025 solle die jeweils tagende Synode Diskussionsergebnisse zur Friedensthematik im Kirchenkreis reflektieren. Hierzu würden Rückmeldungen aus den Gemeinden und kirchenkreisweiten Veranstaltungen eingeholt.