Weizenmehl, etwas Wasser, das Rezept ist nicht aufwendig. „Hostien sind eine Backware“, findet Pfarrer Hans-Otto von Danwitz. Eine besondere Backware, die zu Weihnachten passt. „Wir feiern Weihnachten ein kleines Kind, und auch Hostien sind etwas ganz Kleines,¬ besitzen aber eine große politische Dimension. Weihnachten ja auch“, sagt er. Die Hostien knüpfen an das ungesäuerte Brot der Befreiung an, das das Volk Israel in der Sklaverei gebacken hat, bevor es in die Freiheit aufgebrochen ist. „Keine Brötchen, keinen Kuchen, immer einen Geschmack von Aufbruch“, sagt von Danwitz. Das passe zur Weihnachtsgeschichte, der Geburt im Stall, der Flucht vor Herodes. Kein festes Einrichten, kein sesshaft werden ¬– sein ganzes Leben sei Jesus auf dem Weg gewesen, immer wieder zu neuen Ufern aufgebrochen. „Und jetzt sind wir bei mir selbst“, sagt Hans-Otto von Danwitz und lacht. Nach 21 Jahren in der Dürener Pfarre St. Lukas übernahm der Seelsorger im August pastorale Aufgaben in Jülich und Aldenhoven.
„Pause zu machen, das war schon in meiner Kindheit verpönt“, blickt der 65-Jährige zurück. Mit drei Brüdern und zwei Schwestern ist er auf dem elterlichen Bauernhof bei Tönisvorst aufgewachsen. Dort gab es jeden Tag viel zu tun. „Wir waren als Kinder von Anfang an eingebunden, haben je nach Alter mitgearbeitet“, berichtet er. Dieses sehr strukturierte Leben habe ihn geprägt: „Was anstand, wurde ohne Murren erledigt.“ Obwohl alle Geschwister gleich aufgewachsen sind, mache jeder und jede etwas anderes. Der älteste Bruder hat Agrarwissenschaften studiert, aber der vierte Bruder übernahm den Hof. Eine Schwester wurde Krankenschwester, ein Bruder studierte BWL – und Hans-Otto von Danwitz entschied sich für Theologie. Dabei wollte er ursprünglich einmal Kinderarzt werden.
„Ein Schlüsselerlebnis war eine Messdienertagung auf der Wildenburg. Dort habe ich als Jugendlicher erstmals Glaube ganz anders als auf dem Dorf erlebt“, sagt er. Zuhause war es selbstverständlich, sonntags brav zur Kirche zu gehen, morgens, mittags und abends wurde gebetet. „Mein Vater hat nie darüber gesprochen. Der Glaube war existenziell für ihn, es war ein gelebter Glaube, nichts Ritualisiertes“, schildert der Seelsorger. Doch auf der Wildenburg konnte der Jugendliche erstmals über den Glauben reden, sich austauschen, erfahren, was dieser für andere bedeutet. In der Schule gehört der junge von Danwitz fortan zu einer Clique, die Gottesdienste vorbereitete und Frühschichten organisierte. Sein Religionslehrer gab den Anstoß, einmal den Berufswunsch zu überdenken. Noch vor dem Abitur stand fest, dass die Welt einen Kinderarzt weniger haben sollte.
Wie oft er später Zweifel an dieser Entscheidung hatte? „Im Grunde ist es eine ständige Frage, ob es richtig ist“, sagt er. Sein Blick auf die Welt und den Glauben hat sich nach einem Freisemester in Afrika nachhaltig geändert: „Glaube ist nicht nur etwas schön Frommes, er hat auch eine politische Dimension. Wenn man die Armut erlebt hat, dann lebt man nicht mehr einfach so weiter wie vorher.“ Eine weitere prägende Erfahrung war ein Industriepraktikum, bei dem er Gewerkschafter kennenlernte, Fragen von Gerechtigkeit auf den Grund ging, und er sich fragte, wie vor diesen Hintergründen der Auftrag von Kirche und Spiritualität aussieht. Seine Diplomarbeit schrieb er über die arme Kirche. Über die Frage, wie das, was Kirche verkünden und feiern möchte, überhaupt zum Erscheinungsbild in unseren Breiten passt. Dass Gottes Sohn als armes Kind im Stall von Bethlehem zur Welt kommt, sei schon damals kaum Zufall gewesen.
„Ich habe bis heute das Thema, dass ich mich nicht im Reichtum festsetze. Ich bewahre mir die Freiheit, den Mund für Gerechtigkeit aufzumachen und teile, was ich habe. Dafür stehen auch die Hostien. Es ist ein Sinn von Zölibat, sich diese Freiheit zu bewahren, nicht gebunden zu sein“, betont er. Manche Exposition von Reichtum auch in der Kirche sei der „krasse Gegensatz zu dem, was meine Berufung ausmacht“, erklärt er: „Ich möchte nicht über andere richten. Aber ich kann das Evangelium nur verkünden, wenn ich es selber lebe.“ Von Danwitz folgt dem Beispiel Charles de Foucaulds, so arm zu leben, wie Jesus es getan hat, um den Armen nahe zu sein. Auch in Jülich erlebe er, dass es viele soziale Nöte gibt, Flüchtlinge, Obdachlose – und glücklicherweise auch viele gute Initiativen, den Menschen zu helfen.
Die deutsche Kirche mache „viele tollen Sachen“ mit ihrem Geld, sei aber oft sesshaft, unbeweglich und gesättigt. Der jetzige Reformprozess im Bistum habe trotz aller Ecken und Kanten zu einer Pastoralstrategie geführt, die neben Gottesdiensten und Daseinsfürsorge auch die Menschen in den Mittelpunkt stellt, die in Bewegung oder Unruhe sind, und vielleicht gar nicht mehr in die Kirche gehen. „Es ist eine Frage der Schwerpunktsetzung. Wenn ich nur Messen feiere, bewege ich mich nicht, da ist nichts mehr von Aufbruch da. Zumindest im Moment habe ich die Chance, durch einen Neuanfang meine Energie noch einmal neu zu ordnen und bewusster einzusetzen“, blickt er auf das kommende Jahr. Kirche hat für ihn nach wie vor Relevanz, weil Kirche die Hoffnung lebendig hält. „Bei allem, was derzeit los ist, kann man ja oft nur verzweifeln“, sagt er und ist wieder dort, wo es begann, im Stall von Bethlehem. Von Danwitz: „Gott ist bei uns, egal was passiert.“