Kurz nachdem der eine Helmut den anderen Helmut im Amt des Bundeskanzlers ablöste, wurde es plötzlich bunt im deutschen Bundestag. Neben den üblichen Herren in dunklen Anzügen saßen dort nun Menschen in selbstgestrickten, farbenfrohen Pullovern – davon sogar eine Reihe Frauen. Selbst Blümchen sollen zwischen den Abgeordneten Einzug gehalten haben. 42 Jahre ist das inzwischen her. Ob es im Jülicher Stadtrat ebenfalls plötzlich derart farbenfroh zuging, ist nicht verbrieft. Sicher ist jedoch, dass vor 40 Jahren auch in der Herzogstadt „Die Grünen“ dem gewohnten schwarz-gelb-rot einen neuen Farbton hinzufügte und seither „grüne“ Themen im politischen Geschehen an der Rur auf die Tagesordnung setzen. Damit hatte 1984 kaum einer gerechnet, am allerwenigsten die frisch gebackenen Ratsherren und eine Frau selbst, erinnert sich Gabriele Schütz-Lembach schmunzelnd: „Der Pförtner hielt mir die Tür auf, plötzlich war ich Ratsfrau, das hat ja keiner erwartet.“
Gemeinsam mit Schütz-Lembach zogen Armin Kaleck und Herbert Lammertz in den Jülicher Stadtrat ein. Der Wahl vorausgegangen waren intensive Gespräche, Diskussionen und ein zähes Ringen um die Frage, ob Mitarbeiter der damaligen Kernforschungsanlage KFA für eine Partei antreten dürften, deren erklärtes Ziel der Ausstieg aus der Atomenergie war und ist.
Das genaue Gründungsdatum des Ortsverbandes liegt im Dunkeln, irgendwann zwischen dem 5. und 10. November 1984 müsse das gewesen sein, erinnern sich die Gründungsmitglieder. Bevor sich die ersten Grünen zur Wahl stellten, wurde das Wahlgesetz gründlich studiert. Dieses besagte unter anderem, es müsse mindestens drei Mitglieder einer Partei geben, damit diese antreten dürfe – ein Ortsverband hingegen war nicht zwingend vorgesehen. Zum damaligen Zeitpunkt gab es im Bereich der Städte Jülich und Linnich sowie der Gemeinde Titz exakt fünf Grüne, mehr als ausreichend also. Dass der Einladung zur ersten Versammlung derart viele Menschen folgen würden, dass gleich alle Wahlbezirke besetzt werden konnte, hatte kaum jemand erwartet.
Doch es herrschte wohl so etwas wie Aufbruchstimmung, formulierte Gabriele Schütz-Lembach. Offenbar auch unter den Wählern, die auf Anhieb dafür sorgten, dass Jülich eine dreiköpfige Ratsfaktion bekam. Inzwischen sind sechs Grüne-Politiker und Politikerinnen im Rat und den Ausschüssen Jülichs vertreten und der Ortsverband hat 40 Mitglieder, Tendenz steigend, wie das Sprecher-Duo Christine Klein und Sebastian Steininger feststellt. Grund genug zum Feiern also.
Versteht sich, dass zum runden Geburtstag auch auf die Erfolge grüner Politik zurückgeblickt wurde: „Wir haben dazu beigetragen, dass in Jülich ein Umweltbeirat entstanden ist“, hielt Armin Kaleck in seiner amüsanten Ansprache fest. Auch bei der Realisierung der Fußgängerzone sei er „sofort dabei gewesen“, die dazugehörige Tiefgarage mitzutragen sei allerdings recht schmerzhaft gewesen, resümiert Kaleck. Besonders stolz ist nicht nur der Ratsherr der ersten Stunde auf die gelungene „professionelle Renaturierung der Rur“, die anlässlich der Landesgartenschau angegangen wurde. Wären die Grünen nicht gewesen, wäre der Fluss begradigt statt renaturiert worden, stellte Kaleck fest. Wie der Beschluss erreicht wurde? „Wir haben der SPD gedroht, den Haushalt nicht mehr mitzutragen“, schmunzelte der Ratsherr a.D., bevor sich die Runde endgültig den Feierlichkeiten widmete – unter anderem in der Küche ihrer Geschäftsstelle, wie sich das für eine gelungene Geburtstagsfeier so gehört.