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Von Leidenschaft und langen Linien

Laudatio von Minister Nathanael Liminski anlässlich zur Verleihung des Minerva-Preises 2024 durch den Förderverein Museum Jülich an Isabel Pfeiffer-Poensgen.

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Nathanael Liminski. Foto: Ariane Schenk
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Sehr geehrte Frau Vorsitzende, Professorin Lambrecht,
sehr geehrte Frau Abgeordnete Peill, sehr geehrter Herr Abgeordneter Kaiser,
sehr geehrter Herr Bürgermeister Fuchs,
sehr geehrte Frau Preisträgerin, Frau Staatsministerin a.D., liebe Isabel Pfeiffer-Poensgen
meine sehr geehrten Damen und Herren,

Jülich ist ein Ort, der Geschichte und Zukunft atmet. Ein Ort der langen Linien:
Von der Römerzeit, aus der die Bronzefigur der Minerva stammt, über die italienische Renaissance, die diese wunderschöne Schlosskapelle prägt, die Industrialisierung, die in dieser Region besonders mit der Braunkohleförderung verknüpft ist, bis hin zur anbrechenden Ära der Quanten- und Supercomputer, die hier am Forschungszentrum stehen.
Solche langen Linien gibt es auch in Politik und Gesellschaft: Disziplinen, die fernab der politischen Hektik, langsam aber stetig ihre Dynamik entfalten und Ergebnisse produzieren, die uns dann in Begeisterung und Staunen versetzen. Wie Kultur und Wissenschaft.
Und es gibt politische Karrieren, die in langen Linien verlaufen. Konsequent, die einzelnen Etappen aufeinander aufbauend,
geduldig, getragen von der Leidenschaft und vom tiefen Interesse an der Materie.

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Es ist mir eine große Ehre, heute eine Persönlichkeit würdigen zu dürfen, die diese langen Linien wie kaum eine andere verkörpert. Ich hatte das Privileg, mit ihr zusammenzuarbeiten, ihr beim Wirken über die Schulter zu schauen.

Isabel Pfeiffer-Poensgen war – und das ist nur eine ihrer Stationen – von Juni 2017 bis Juni 2022 Ministerin für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen. Als Chef der Staatskanzlei hatte ich in der gleichen Zeit das Zusammenspiel der Ministerien zu koordinieren. Ich erinnere mich noch sehr genau an die Nominierung von Isabel Pfeifer-Poensgen als Ministerin im Kabinett von Armin Laschet am 29. Juni 2017. Die Ernennung hat damals einen Knall-Effekt ausgelöst. Selten gibt es auf eine Personalentscheidung auf Landesebene derartige Resonanz. Eine Welle von Staunen und Hochachtung ist durch das Land gegangen.

Denn Ministerpräsident Armin Laschet hatte einen unkonventionellen Weg eingeschlagen.

Er hat ein neues Ressort geschaffen, in dem die Kultur – bis dato „nur“ eine Abteilung in verschiedenen Ressorts – fortan namensgebend war und dann auch noch an erster Stelle stand. Gemessen an Finanzen und Personal müsste das Ressort eigentlich Wissenschaft und Kultur heißen. Die „umgekehrte“ Namensgebung war Absicht und mit der Botschaft verbunden, dass die Kultur eine neue Wertschätzung erfahren soll.

Mit dieser Zielsetzung war dann die „Superpersonalie“ Isabel Pfeiffer-Poensgen verknüpft: Eine parteilose Fachfrau mit beeindruckender Berufserfahrung auf allen Ebenen – und mit großen Erfolgen, vor allem auf dem Gebiet der Kulturpolitik.

Liebe Frau Pfeiffer-Poensgen, die Erwartungen an Sie waren von vornherein hoch. Die im Koalitionsvertrag verankerte To Do-Liste entsprechend lang. Sie haben die Herausforderung angenommen, ein großes Förderressort zu leiten, das für vielfältige Strukturen der nordrhein-westfälischen Kultur und Wissenschaft verantwortlich zeichnet. Dies ist Ihnen auf herausragende Weise gelungen und mit herausragend meine ich, dass die Ergebnisse Ihrer Arbeit über Ihre Amtszeit und über Nordrhein-Westfalen hinaus strahlen.

Für die meisten Menschen in Nordrhein-Westfalen sind und bleiben Sie das Gesicht der „Stärkungsinitiative Kultur“.

Die Kultur hat zwischen 2017 und 2022 einen erheblichen Mittalaufwuchs erfahren, der vor allem unseren Orchestern, Theatern und der kulturellen Bildung zu Gute kam. Diese zentrale politische Initiative entsprach Ihrer tiefen persönlichen Überzeugung, dass die Kultur ein „Grundnahrungsmittel“ der Gesellschaft ist. Dass sie keinen „Zweck“ erfüllen muss, sondern ein eigenständiges Gut darstellt. Deswegen braucht sie einen verlässlichen finanziellen Rahmen: Wettbewerbsfähige Förderung in der Spitze und auskömmliche Stärkung in der (kommunalen!) Breite.

Sie kannten die Kulturszene wie keine andere. Sie brauchten zum Beispiel kaum Terminvorbereitungen, weil sie sowohl die Personen, als auch die Themen meist bereits sehr gut kannten. Noch wichtiger erscheint mir aber, dass Sie der Kultur mit einem großen Respekt für die Autonomie und Freiheit begegnet sind. Daraus folgt, dass Sie Ihre Aufgabe darin gesehen haben, der Kultur vor allem gute Rahmenbedingungen zu bieten und diese gemeinsam mit den Beteiligten zu gestalten.

Prägend für Ihr Verhältnis zur Kultur ist Ihre große Empathie gegenüber den Kunstschaffenden.

Ein großes Thema Ihrer Amtszeit war die Verbesserung der finanziellen Situation von Kunstschaffenden. Dies haben Sie landesintern vorangebracht und zum Schwerpunkt Ihres Vorsitzes in der Kulturministerkonferenz gemacht.  
Sowohl die faire Vergütung, als auch die soziale Absicherung in auftragsärmeren Zeiten sind „dicke Bretter“, rechtlich und finanziell hochkomplex. Für Sie, liebe Frau Pfeiffer-Poensgen, überhaupt kein Hinderungsgrund.

Im Gegenteil: Sie haben beide mit der Ihnen eigenen Hartnäckigkeit angepackt, frei nach dem Motto „ein steter Tropfen höhlt den Stein“. Und siehe da: Die Umsetzung der Honoraruntergrenzen auf Landesebene ist im vollen Gange. Bei der Sozialversicherung sind die Länder unterwegs und wirken auf den Bund ein.

Es bleibt noch viel zu tun, aber die Überzeugung, dass die Kultur uns etwas wert sein muss und den Menschen hinter den schönen Künsten ein würdiges Leben ermöglicht werden muss, setzt sich weiter durch und das ist auch Ihr Verdienst, liebe Frau Pfeiffer-Poensgen.

Bei der finanziellen Absicherung von Künstlerinnen und Künstlern haben Sie eine besondere Weitsicht bewiesen.

Die Pandemie hat Ihren Ansatz zunächst auf traurige Weise bestätigt. Gleichwohl hat die Covid-19 Krise an Ihrer Zuversicht und Ihrem Glauben an die Kultur nicht gerüttelt. Im Gegenteil: Die Landesregierung hat unter Ihrer Führung ein Stipendiensystem aufgelegt, das Künstlerinnen und Künstlern ermöglicht hatte, trotz der schwierigen Bedingungen weiterhin kreativ tätig zu sein. Diese „Covid-Stipendien“ waren eine Pionierleistung. Sie haben dazu beigetragen, dass die Kultur aus der Pandemie gestärkt hervorgegangen ist.

Zur Stärkung der Kultur gehörte auch, all ihre Belange in einem eigenen Gesetz zu regeln: Dem Kulturgesetzbuch, das der Landtag am 25. November 2021 mit breiter Zustimmung beschlossen hat. Das Gesetz regelt u.a. das inzwischen sehr präsente Thema Provenienzforschung, Kultur im ländlichen Raum, Bürokratieabbau und Transparenz von Förderverfahren, Nachhaltigkeit und Diversität in der Kultur. Nordrhein-Westfalen war das erste Bundesland, das solch eine umfassende Regelung getroffen hat. Einmal mehr ein großer kulturpolitischer Fortschritt und ein wichtiger Impuls über Nordrhein-Westfalen hinaus.

Unter Ihrer Führung ist die Kulturszene in Nordrhein-Westfalen sichtbarer und widerstandsfähiger geworden.

Wir können heute stolz sagen: Nordrhein-Westfalen ist Kulturland ersten Ranges. Diese neu entdeckte Landes-Identität trägt auch Ihre Handschrift, liebe Frau Pfeiffer-Poensgen. Bei Ihrem Amtsantritt haben Sie gesagt, die Kultur in Nordrhein-Westfalen muss dahinkommen, wo die Wissenschaft schon sei – selbstbewusst, wettbewerbsfähig und international sichtbar.

Nun ist es mitnichten so, dass die Wissenschaftspolitik in Ihrem Wirken als Ministerin eine geringere Rolle gespielt hätte. Wenn es Befürchtungen in diese Richtung gegeben haben sollte, so wurden sie rasch zerstreut.

Als Anhängerin des Humboldtschen Bildungsideals ist Ihnen ohnehin die Vorstellung nah, dass Kunst und Wissenschaft zusammengehören. Aber es ist auch Ihre Arbeitsweise und Ihre Haltung, die ein Ineinandergreifen von Kultur und Wissenschaft nicht nur ermöglicht, sondern auch befördert:
 Ihre Wertschätzung der Autonomie und der Freiheit, Ihr Vertrauen in die Akteure und, daraus folgend, Ihr Fokus auf guten Rahmenbedingungen.
 Ihre Neugierde, Ihre Bereitschaft, sich auf neue Themen einzulassen und Ihr Ehrgeiz, diese auch zu durchdringen.
 Ihr durchaus aufmerksamer Blick auf das Geschehen im breiteren Kontext – etwa auf Wettbewerbssituationen in Deutschland und Europa; Ihr Anspruch, Nordrhein-Westfalen gut und sichtbar zu positionieren.

Die Integration von Kultur und Wissenschaft verlief bei Ihnen also äußerst erfolgreich:
Der Zuschnitt des Ministeriums hat sich unter Ihrer Leitung so sehr bewährt, dass er über Ihre Amtszeit hinaus unverändert geblieben ist.

Es würde den Rahmen sprengen, Ihre hochschulpolitischen Erfolge aufzuzählen.

Bezeichnend ist, dass Sie bereits ein Jahr nach Ihrem Amtsantritt vom Deutschen Hochschulverband zur „Wissenschaftsministerin des Jahres“ gekürt wurden.
Wie die Kultur, hat auch die Wissenschaft von Ihrer Weitsicht profitiert. Sie haben in strategischen Bereichen einmalige Projekte in die Wege geleitet und das auf den Feldern, die heute in aller Munde sind:
 Forschungsfertigung Batteriezelle in Münster
 Das Cancer Research Center in Köln und Essen
 Das Lamarr-Institut für Maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz in Dortmund und Bonn

Diese Projekte haben gemeinsam,
 dass sich dort die landesweit Besten zusammengetan,
 ein innovatives Konzept erarbeitet haben
 und mit Unterstützung des Landes weitere Fördermittel akquirieren konnten.

Das mag einfach klingen, ist aber in der Praxis alles andere als trivial.

Nachhaltige Kooperationen zu schmieden, bedeutet, verschiedene Akteure zu integrieren.
Ihnen, liebe Frau Pfeiffer-Poensgen, kam dabei zugute, dass Sie den direkten Kontakt zu den Menschen schätzen und suchen, dass Sie gut zuhören können und dass Sie nicht nur auf das Fachliche, sondern auch auf die Integrität von Akteuren schauen.

Große Forschungsförderungen sind immer Risikoentscheidungen, die gut vorbereitet werden wollen. Diese Vorbereitung war bei Ihnen nicht nur beeindruckend gründlich, sondern – noch viel wichtiger – chancenorientiert. Sobald Sie den Eindruck gewonnen haben, dass die Konzepte stimmig und die beteiligten Personen glaubwürdig sind, haben Sie sich hartnäckig hinter die Projekte geklemmt und wurden zu ihrer wichtigsten Anwältin.

Wer Sie als Unterstützerin gewinnen konnte, der wurde nie enttäuscht.

Das gilt auch für das Rheinische Revier, das sich angesichts des Ausstiegs aus der Braunkohleförderung neu erfinden muss. Es ist die Aufgabe der Wissenschaft, dass es beim Ausstieg nicht bleibt, sondern dass gleichzeitig ein Einstieg in etwas Neues gelingt. Eine Wissenschaft, der man das Vertrauen schenkt; eine Wissenschaft, der man gute Rahmenbedingungen bietet, wird diesen Einstieg auch ermöglichen.

Mit dieser Haltung – die sich wie ein roter Faden durch ihren gesamten Karriereweg zieht – haben Sie, liebe Frau Pfeiffer-Poensgen, im Rheinischen Revier Initiativen unterstützt, bei denen aus der wissenschaftlichen Exzellenz heraus neue Impulse für die Wirtschaft und Gesellschaft generiert werden.

Ein solches Vorhaben ist der Wasserstoffcluster HC-H2. Ein Projekt, das die gesamte Wertschöpfungskette Wasserstoff anwendungsorientiert erforscht. Das umfangreichste Strukturwandelprojekt im Rheinischen Revier und eins der größten Wasserstoff-Förderprojekte in Deutschland.

Ein solches Feld ist auch die Förderung des Quanten- und Supercomputings. Nordrhein-Westfalen ist heute in beiden Disziplinen ein führender Standort. Wenn wir in einigen Monaten am Forschungszentrum Jülich den Startschuss für Europas schnellsten Exascale-Rechner feiern können auch Sie, liebe Frau Pfeiffer-Poensgen sehr stolz sein, denn auch dieser Ansiedlung war ein kompetitiver Bewerbungsprozess vorgeschaltet, in dem sich Nordrhein-Westfalen mit Ihrer Unterstützung durchsetzen konnte.

Beim Quanten- und Supercomputing wurden Sie nicht müde zu betonen, dass der gesellschaftliche Nutzen dieser Technologien besser vermittelt werden muss. In der Tat: Die beste Technologie bringt uns wenig, wenn sie in der Gesellschaft kaum Akzeptanz findet oder wenn die notwendigen Fähigkeiten für die Anwendungen noch nicht ausreichend vorliegen. Insofern ist es auch Aufgabe der Wissenschaftspolitik, die Menschen für neue Technologien zu begeistern.

Sie selbst, liebe Frau Pfeiffer-Poensgen, waren sehr begeistert von einem Modell eines Quantencomputers, das Ihnen bei einem Besuch in Jülich überreicht wurde. Als Kunstkennerin wussten Sie dieses Modell – jenseits seiner technologischen Potenziale – auch ästhetisch zu schätzen. Diese Offenheit und Begeisterungsfähigkeit sollten uns allen ein Vorbild sein!

Die Schönheit eines Quantencomputers führt uns nun zurück zur römischen Göttin Minerva. Die Namensgeberin des heutigen Preises war Schutzherrin der Wissenschaft und der Künste.

Als „Minerva-Ministerin“ von Nordrhein-Westfalen haben Sie, liebe Frau Pfeiffer-Poensgen, einen exzellenten Job gemacht! Ihre nachhaltige, weitsichtige und strukturierte Arbeitsweise hätte die Göttin Minerva sicher gutgeheißen, ist sie doch auch eine Kämpferin.

Keine Kriegsgöttin, die auf konfrontative Auseinandersetzung setzt. Sondern eine unermüdliche Strategin, die konsequent, aus der inneren Stärke heraus clevere, gut vorbereitete Schachzüge spielt. All das haben Sie als Ministerin verkörpert. Und bei alledem waren Sie eine wunderbare Kollegin.

Sie haben dazu beigetragen, dass die langen Linien der Kultur und Wissenschaft aus Nordrhein-Westfalen, die langen Linien hier im Rheinischen Revier als pulsierender Industrie- und Forschungsstandort, kräftig fortgeschrieben werden.

Zum Minerva-Preis 2024 gratuliere ich Ihnen – auch im Namen der Landesregierung – sehr herzlich.

Zum Artikel: Strahlende „Minerva-Ministerin“


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