Start featured „Das bisschen, was ich esse, kann ich auch trinken.“

„Das bisschen, was ich esse, kann ich auch trinken.“

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Die Gastwirtschaft von Josef Krieger auf der Herrenstraße (heute Poststraße), Ende 19. Jahrhundert. Postkarte: Museum Zitadelle Jülich
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Fragt man heute nach Bier aus Jülich, werden meist das Bier der Herzogen-Brauerei und Steins Bier genannt, die vor Jahren die Jülicher Brautradition mit Leben füllten. Schon längst musealisiert sind dagegen die Zeugnisse beispielsweise der Kronenbrauerei Gebrüder Fuchssteiner (ehemals Königsgasse zwischen der Bongardstraße und der Straße Am Aachener Tor gelegen) und der Bierbrauerei mit Dampfbetrieb Josef Krieger in der Herrenstraße (heute Poststraße). Beide Brauereien füllten ihr Bier bis in die 1920er Jahre hinein in eigens angefertigten Flaschen mit Bügelverschluss ab, wovon sich einzelne Exemplare erhalten haben.
Das Brauen von Bier hat in der Menschheitsgeschichte eine Tradition von mehreren Tausend Jahren. Dabei wird sogar die These vertreten, dass das Bierbrauen den Prozess der Sesshaftwerdung des Menschen begünstigt habe. Die Nachweise für das Brauen von Bier in Jülich reichen bis ins Mittelalter zurück, wobei detaillierte Aussagen erst ab der Mitte des 16. Jahrhundert möglich sind. Die beiden großen Stadtbrände von 1473 und 1547 haben das Quellenmaterial aus der Zeit davor weitgehend zerstört.

Ein prominenter Biertrinker in Jülich war der Herzog selbst. Beim Bau von Schloss und Zitadelle Jülich in der Mitte des 16. Jahrhunderts ließ Herzog Wilhelm V. von Jülich-Kleve-Berg ein Brauhaus errichten, mit dessen Produktion die Bierbrauer des Herzogs den Bedarf des Hofes vor Ort deckten. Das Bier des 16. Jahrhunderts wurde wie heute aus Hopfen, Malz und Wasser gebraut. Lange Zeit waren die Hefepilze, die man einsetzt, um gezielt den Gärprozess zu steuern, unbekannt. Damals sorgten in der Luft befindliche Hefepilze dafür, dass aus den drei genannten Elementen Bier wurde. Im Mittelalter hatte man anstelle von Hopfen zur Würze des Bieres eine Kräutermischung verwendet, die größtenteils aus Gagelstrauch bestand. Am Niederrhein heißt der Gagelstrauch Grut, was dem daraus gebrauten Bier den Namen Grutbier gab. Heute ist dieses weitgehend verschwunden, da man die bittere Würze durch den Hopfen bevorzugt. Aus den herzoglichen Amtsrechnungen ist zu ersehen, welche Mengen an Inhaltsstoffen man für ein Gebräu Bier benötigte, nämlich 8 bis 10 Malter Gerstenmalz, ein oder zwei Malter Weizen und zwei oder drei Malter Hopfen. Unter Hinzufügung von Wasser entstanden so pro Gebräu etwa 2620 Liter Bier. Die jährliche Produktion für den herzoglichen Hofstaat in Jülich umfasste demnach 15.000 bis 30.000 Liter Bier.

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Die Unterscheidung zwischen ober- und untergärig gebrautem Bier kam erst auf, als im Spätmittelalter verschiedene Arten von Hefe aktiv eingesetzt wurden. Bei untergäriger Hefe setzt der Prozess der Gärung bereits bei 4 bis 6 °C ein. Für diese Art des Bieres wurde ausgehend von der Stadt Pilsen im 19. Jahrhundert die Bezeichnung „Pils“ üblich. In Jülich wurden in vormodernen Zeiten obergärige Biere gebraut, da es hier keine Eiskeller gab, in denen man die niedrigen Temperaturen für untergäriges Bier gehabt hätte. „Kölsch“ ist übrigens ein obergärig gebrautes Bier.

Nicht nur der Hof produzierte Bier, sondern auch in der Stadt Jülich gab es einen regen Braubetrieb. Neben einem gewissen Maß an Eigenbedarf wurde viel Bier in den zahlreichen Wirtsstuben der Stadt ausgeschenkt. Jülich lag an einer wichtigen Fernstraße von Köln in die Niederlande, was einen regen Reiseverkehr durch die Stadt zur Folge hatte. Davon profitierten selbstredend die Betreiber von Brauereien und Wirtsstuben. Den Stadtrechnungen der zweiten Hälfte des 16. und des frühen 17. Jahrhunderts lassen sich detaillierte Angaben zum Bierbrauen in Jülich entnehmen, da auf das ausgeschenkte Bier eine Steuer, die Akzise, erhoben wurde. So gaben die Wirte an, zwischen 334 und 544 Tonnen Trankbier im Jahr in ihren Wirtsstuben auszuschenken. Während einzelne Wirte über eine eigene Braueinrichtung verfügten (um die 30 Braustellen sind belegt), hielt die Stadt von 1574 bis 1694 zusätzlich ein Brauhaus vor, das reihum genutzt werden konnte. Seit 1636 bildeten Brauer, Malzmacher und Bäcker in Jülich eine Zunft.

Ganz ungefährlich war das Bierbrauen durch die entstehenden Gase nicht. Immer wieder kam es zu tödlichen Unfällen. So schreibt Franz-Wilhelm Tillessen in der Chronik seiner Familie: „Noch größeres Unglück ist den folgenden Tag hier zu Gulich (Jülich) den 29. Augustus (1803) geschehen, indem des Nachts um 12 Uhr der fromme und beliebte Bürger und Bierbrauer Gerardus Offermanns … im 36. Jahr seines Alters in seinem eigenen Keller des Morgens um 5 Uhr totgefunden worden durch das gährende Bier erstickt.“ Und auch der Bierkonsum selbst konnte unliebsame Folgen zeitigen. So heißt es in einer später überlieferten Quelle zur Hochzeitsreise Herzog Wilhelms V. nach Frankreich aus dem Jahr 1541: „Noch mehr als sein schreckliches Lachen missfiel ihr (der Braut Johanna von Navarra) an des Herzogs Hofleuten das erschröckliche Saufen, welches nicht eher ein Ende nahm, als biß sie gänzlich von Sinnen kahmen, und todt in die schönen Betten niederfielen, die sie dann auf das ärgste besudelten.“ Hoffen wir, dass die Jülicherinnen und Jülicher heute trinkfester sind.

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Guido von Büren
Eine echte Muttkrat und mit unbändiger Leidenschaft für Geschichte und Geschichten, Kurator mit Heiligem Geist, manchmal auch Wilhelm V., Referent, Rezensent, Herausgeber und Schriftleiter von Publikationen, Mitarbeiter des Museums Zitadelle und weit über die Stadtgrenzen hinaus anerkannter Historiker, deswegen auch Vorsitzender der renommierten Wartburg-Gesellschaft

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