Dass die CO2-Emissionen von Flugzeugen sich auf das globale Klima auswirken, ist seit langem bekannt. Die Auswirkungen des Flugverkehrs gehen aber über die schädlichen CO2-Emissionen hinaus. In den letzten Jahren sind die Kondensstreifen von Verkehrsflugzeugen in den Fokus gerückt und die Eiswolken, Contrail Cirrus, die sich unter bestimmten Bedingungen daraus entwickeln können.
Aktuell befassen sich internationale Kommissionen sowie mehrere Forschungsprojekte mit der Frage, wie diese besonders klimawirksamen langlebigen Kondensstreifen vermieden oder zumindest reduziert werden können. Das Forschungszentrum Jülich ist über die europäische Forschungsinfrastruktur IAGOS (In-service Aircraft for a Global Observing System) maßgeblich an diesen Arbeiten beteiligt, die kürzlich in einem Bericht des internationalen Dachverbands der Fluggesellschaften (IATA) veröffentlicht wurden.
Prof. Andreas Petzold ist Leiter der Gruppe „Global Observation“ am Jülicher Institut für Troposphärenforschung, Koordinator von IAGOS Deutschland und Mitglied des IAGOS-Vorstands. IAGOS läuft mit langjähriger Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) und beobachtet seit fast 30 Jahren die Veränderungen der chemischen Zusammensetzung der Atmosphäre. Dazu werden normale Verkehrsflugzeuge mit kompakten Messgeräten ausgestattet. Sie messen während der regulären Linienflüge die Konzentration von wichtigen Spurengasen wie Ozon, Wasserdampf, Treibhausgase und Stickoxide. Derzeit sind zehn Flugzeuge von acht Luftverkehrsgesellschaften mit IAGOS-Geräten im Einsatz.
Was genau haben sich die Wissenschaftler:innen in den Forschungsprojekten angesehen und was haben sie dabei gefunden?
Prof. Andreas Petzold: Sie kennen Kondensstreifen als linienförmige Eiswolken, die sich hinter Verkehrsflugzeugen bilden und meist auch schnell wieder auflösen. An manchen Tagen bleiben die Kondensstreifen jedoch am Himmel stehen und nach einiger Zeit ist der Himmel von einer dünnen und milchig erscheinenden Schicht von Wolken bedeckt. Das sind genau die menschengemachten Eiswolken mit einer großen Klimawirkung, die vermieden werden sollen.
Wir haben die Entstehungsbedingungen für diese speziellen Wolken und die Mechanismen ihrer Klimawirkung untersucht: Sie entstehen dann, wenn die Luft in zehn bis zwölf Kilometern Höhe, also dort wo die Verkehrsflugzeuge fliegen, so kalt und feucht ist, dass der Wasserdampf gegenüber der Eisphase übersättigt ist. Jeder von uns kennt diesen Effekt für flüssiges Wasser, wenn sich im Herbst in der feuchten und warmen Atemluft durch Abkühlung kleine Nebeltropfen bilden. Etwas Ähnliches geschieht in dem abkühlenden Abgas aus den Flugzeugtriebwerken, nur ist es da oben so kalt, dass sich Eiskristalle bilden, die anschließend in der kalten und feuchten Luft weiterwachsen und mehrere Stunden existieren können.
Die dünnen, milchig erscheinenden Eiswolken schwächen das einfallende Sonnenlicht nur in einem geringen Maße ab und der kühlende Effekt durch eine Minderung der Sonnenstrahlung am Boden fällt eher klein aus. Auf der anderen Seite können diese dünnen Eiswolken die Wärmestrahlung der Erde, die ansonsten in das All abstrahlt, sehr effektiv blockieren, ähnlich wie es das CO2 als Treibhausgas tut – der Treibhauseffekt. Damit ist der wärmende Effekt dieser Wolken größer als die Blockierung der Sonneneinstrahlung in die andere Richtung. Das heißt, der Gesamteffekt ist erwärmend für das Klima. Diese Prozesse sind weitgehend verstanden und lassen sich inzwischen gut in Atmosphärenmodellen darstellen.
Lässt sich etwas dagegen tun? Könnten die klimawirksamen Kondensstreifen vermieden werden?
Prof. Andreas Petzold: Ja, theoretisch zumindest. Die Bildung solcher langlebigen Kondensstreifen und die daraus entstehenden stark klimawirksamen Contrail-Cirrus-Wolken könnte vermieden werden, wenn die Verkehrsflugzeuge um diese kalten und feuchten Luftmassen herumgeleitet werden oder darüber oder darunter wegfliegen. Das hört sich einfach an, ist aber schwer umzusetzen.
Warum? Wo genau liegen die Schwierigkeiten?
Prof. Andreas Petzold: Die Hauptschwierigkeit besteht darin, dass diese kalten und feuchten Luftmassen bisher nicht genau genug vorhergesagt werden können. Jede Planung eines Fluges basiert auf einer Wettervorhersage mehrere Stunden im Voraus. Dann wird berechnet, wie das Flugzeug am schnellsten und auf dem kürzesten Weg vom Abflugort an den Zielort kommt. Der Planungsprozess optimiert also für die vorliegende Wetterlage die Flugzeit und den Treibstoffverbrauch. Um die Gebiete mit starker Kondensstreifen-Bildung zu umfliegen, muss diesem Optimierungsalgorithmus ein weiteres Kriterium hinzugefügt werden.
Vor allem muss die Abwägung getroffen werden, ob die schnellste Strecke geflogen und damit CO2-Emissionen gespart werden sollen, oder ob ein Umweg geflogen werden soll, um Kondensstreifen zu vermeiden, was jedoch mit höheren CO2-Emissionen einhergehen würde. Welche Klimawirkung wiegt also schwerer – die des Kondensstreifens, der mehrere Stunden lebt und in dieser Zeit eine direkte Auswirkung auf die Temperatur am Boden haben kann oder die des zusätzlich ausgestoßenen CO2, das für mindestens 100 Jahre in der Atmosphäre bleibt und über diese lange Zeit seine Klimawirkung entfalten kann? Dies ist eine offene Frage und die Entwicklung geeigneter Maßzahlen und Kriterien für diesen Abwägungsprozess steht derzeit im Mittelpunkt der Forschung.
Also ein sehr komplexes Problem. Wer ist alles daran beteiligt, dafür eine Lösung zu finden?
Prof. Andreas Petzold: Die Umsetzung solcher Kondensstreifen-Vermeidungsstrategien verlangt die Beteiligung sehr vieler Akteure aus unterschiedlichen Bereichen wie Atmosphärenforschung, Wetterdiensten, Luftverkehrsgesellschaften, Flugsicherung und Luftraumkontrolle, Flugzeugherstellern und Luftfahrtbehörden – darunter die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA), die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) und der internationale Dachverband der Fluggesellschaften (IATA).
Letztendlich muss – auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse – die Wettervorhersage weiterentwickelt werden, damit sie der Flugplanung bei den Fluggesellschaften die notwendigen Informationen zur Verfügung stellen kann. Die genaue Kenntnis über die Lage eines Kondensstreifengebiets kann dann in die Abwägung – Gebiet umfliegen oder CO2 sparen – einfließen. Außerdem muss die Flugsicherung in die Lage versetzt werden, en-route Flugzeuge kurzfristig und sicher umzuleiten. Und die Behörden müssen gewährleisten, dass die operationellen Systeme sicher und gut aufeinander abgestimmt sind. Durch dieses Gesamtpaket könnten die negativen Auswirkungen des Luftverkehrs auf das Klima reduziert werden, aber es ist kompliziert.
Wie hat das Forschungszentrum Jülich zu der Untersuchung beigetragen?
Prof. Andreas Petzold: Dem Forschungszentrum Jülich kommt über IAGOS eine zentrale Rolle bei der Verbesserung der Wettervorhersage zu. Die IAGOS-Flugzeuge mit ihren von Jülich aus betreuten Wasserdampfmessgeräten sind derzeit die einzigen, die im Routinebetrieb die Feuchte der Atmosphäre genau genug bestimmen können. In dem von Airbus koordinierten europäischen Forschungsprojekt CICONIA, das seit Juli 2023 läuft, werden die entsprechenden Messdaten aus Jülich genutzt, um die Qualität der Wettervorhersage zu beurteilen. Dazu wird bei jedem Flug verglichen, wie die vorhergesagte Feuchte entlang des Flugweges mit der Messung übereinstimmt. Die Ergebnisse werden dann vom deutschen und französischen Wetterdienst genutzt, um ihre Vorhersagemodelle zu verbessern.
Wie geht es jetzt weiter? Wie sehen die nächsten Schritte für die Forscher:innen aus?
Prof. Andreas Petzold: In diesem Herbst finden einige Workshops und Konferenzen zu diesem Themenkomplex statt, um die verschiedenen Aktivitäten international zu koordinieren. Eine wichtige Aufgabe übernehmen hier die Internationale Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO), eine Unterorganisation der Vereinten Nationen, und die Weltorganisation für Meteorologie. Sie wollen ein Messnetz aus vielen Verkehrsflugzeugen aufbauen, die die Daten ihrer Feuchtemessgeräte kontinuierlich an die Wetterdienste melden. Die wiederum können dann mithilfe dieser Daten die Startbedingungen ihrer Modelle verbessern. Am Ende stehen dann also hoffentlich verbesserte Wettervorhersagen für die Flugplanung.
Die Jülicher Forscher:innen können mit ihrer wissenschaftlichen Expertise zu Wasserdampf in der Atmosphäre und jahrzehntelangen Erfahrung im Betrieb von Feuchtesensoren auf Verkehrsflugzeugen dazu beitragen, die internationalen Aktivitäten in den richtigen wissenschaftlichen Kontext zu stellen und dafür sorgen, dass die zentralen technischen Aspekte beim Aufbau solch einer Messinfrastruktur angemessen berücksichtigt werden.
Als Hauptergebnis der verschiedenen Aktivitäten diesen Herbst erhoffen wir uns eine „Roadmap“ für eine internationale Strategie zur Reduzierung der Klimawirkung des Luftverkehrs. Die Vermeidung von Kondensstreifen ist dabei eine Stellschraube, neben dem Einsatz von Treibstoffen aus nachwachsenden Rohstoffen oder von synthetischen Treibstoffen. Auch hier wird derzeit intensiv geforscht.
Was bedeuten die Ergebnisse für die Gesellschaft und für die Zukunft des Luftverkehrs?
Prof. Andreas Petzold: Alle beteiligten Akteure sind sich bewusst, dass die Luftfahrt Teil eines globalen Transportsystems bleiben wird. Andererseits wird die Luftfahrt die Branche sein, die aus Gründen der Sicherheit und der vorhandenen Technologie am längsten auf fossile Treibstoffe angewiesen sein wird. Hier gilt es, eine gute Balance zu finden, um den Luftverkehr weiter zu ermöglichen und gleichzeitig in seiner Klimawirksamkeit zu reduzieren.