Start Stadtteile Jülich Meilenstein in 1000-Gehirne-Studie erreicht

Meilenstein in 1000-Gehirne-Studie erreicht

Anfang Mai endete eine der umfangreichsten Datenerhebungen zum alternden Gehirn in Deutschland. Das ist jedoch erst der Beginn der intensiven Analyse dieses Datenschatzes. Im Rahmen der 1.000-Gehirne-Studie vermaßen Jülicher Forscherinnen und Forscher in den vergangenen sechseinhalb Jahren das Denkorgan von rund 1.300 zumeist älteren Probanden. Die zentralen Fragen der Studie lauten: Was zeichnet ein "normales" Altern des Gehirns aus und welche Faktoren beeinflussen diesen Prozess?

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Copyright: Forschungszentrum Jülich / Ralf-Uwe Limbach
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„Am 29. März diesen Jahres wurde der letzte von rund 1.300 Probanden per Magnetresonanz-Tomographie in Jülich untersucht“, berichtet Prof. Svenja Caspers vom Jülicher Institut für Neurowissenschaften und Medizin und Leiterin der 1.000-Gehirne-Studie. „Nach Durchsicht aller Protokolle hat das verantwortliche Studienkomitee nun die Datenerfassung für offiziell abgeschlossen erklärt. Damit haben wir einen wichtigen Meilenstein erreicht.“ „Er bildet die Grundlage für umfangreiche Analysen, die uns ein tieferes Verständnis zu Alterung und Variabilität des Gehirns ermöglichen werden“, betont Prof. Katrin Amunts, Direktorin des Jülicher Instituts für Neurowissenschaften und Medizin und hauptverantwortliche Initiatorin dieser großen Studie. Neben den im Zentrum stehenden Untersuchungen zur Struktur und Funktion des Gehirns waren umfangreiche kognitive Leistungstests ein wesentlicher Bestandteil der Studie, ebenso Blutuntersuchungen und die Ermittlung genetischer Informationen, die zusammen mit Kollegen um Prof. Markus Noethen in Life & Brain in Bonn und Prof. Sven Cichon an der Uni Basel analysiert werden.

Einzigartig ist die Studie zudem, weil alle Probanden aus einer anderen, groß angelegten medizinischen Erhebung rekrutiert werden konnten: Seit dem Jahr 2001 nehmen rund 5000 männliche und weibliche Freiwillige an der Essener Heinz Nixdorf Recall (HNR) Studie zur Herz- und Kreislaufgesundheit teil, die mehrere Untersuchungsrunden umfasst. „Die Probanden sind unser größter Schatz, sie halten uns seit über 15 Jahren die Treue“, betont Prof. Susanne Moebus, Studienleiterin der HNR Studie. Rund 1300 von ihnen im Alter zwischen 55 und 85 Jahren sind ab 2011 auch nach Jülich gekommen, um im Forschungszentrum ihre Hirnanatomie und -funktion prüfen zu lassen. „Knapp 500 der Teilnehmer konnten wir für einen zweiten Durchlauf, vier Jahre nach der Erstuntersuchung, gewinnen“, freut sich Prof. Karl-Heinz Jöckel von der Universität Duisburg-Essen und Initiator der HNR Studie. „Somit haben wir sogar Daten zu individuellen Alterungsprozessen.“

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Durch die Verknüpfung der beiden Studien erhalten die Jülicher Forscher zudem weitere wichtige Informationen zu Ernährung, körperlicher Fitness, Lebenssituation, Ausbildung oder auch Belastungen etwa durch Rauchen und Alkohol oder Feinstaub und Lärm sowie zahlreiche weitere Faktoren. Sie können so untersuchen, wie diese Faktoren die Alterung des Gehirns beeinflussen. „Solche extrem komplexen Datensätze können nur auf einem Supercomputer sinnvoll analysiert werden“, sagt Studienleiterin Svenja Caspers. Die Lebenswissenschaftler arbeiten hier mit den Experten des Jülich Supercomputing Centre (JSC) zusammen.

Parallel zu den nun abgeschlossenen Messungen haben die Forscherinnen und Forscher in den vergangenen Jahren schon damit begonnen, erste Datensätze näher zu beleuchten. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass verschiedene Hirnregionen unterschiedlich altern. „Die rechte Hirnhälfte, wo das räumliche Denken verankert ist, wird offenbar im Alter stärker abgebaut, als die linke Hemisphäre, in welcher die Sprache zuhause ist. Das könnte erklären, dass bei älteren Menschen die Orientierung im Raum oder das visuelle Arbeitsgedächtnis nachlassen, die sprachliche Kompetenz jedoch zeitlebens relativ konstant bleibt“, sagt Caspers.

„Wir konnten im alternden Gehirn zudem einen geringeren Abbau von vorderen Gehirnregionen feststellen“, so die Forscherin. „Das macht durchaus Sinn, denn bestimmte Bereiche der Stirnlappen sind für die bewusste Kontrolle zuständig.“ Das Gehirn älterer Menschen ist offenbar auch in der Lage, weitere Bereiche in der jeweils anderen Hemisphäre zur Lösung eines Problems zu aktivieren. Ob zum Beispiel Klavierspielen, eine zweite Sprache, gesunde Ernährung oder Sport diese sogenannte „kognitive Reserve“ positiv beeinflusst, ist Gegenstand zukünftiger Analysen. In einer weiteren Stichprobe beurteilten die Forscher, ob sich die normale Variabilität der Blutspiegel von Vitamin B1 oder B6 auf die Hirnstruktur und -funktion auswirkt. „Das Zusammenspiel ist deutlich komplexer als gedacht, solange kein Vitaminmangel besteht“, fasst Svenja Caspers kurz und bündig das Ergebnis zusammen.

„Wir rechnen damit, dass wir auf Grundlage dieser Studie noch viele wissenschaftliche Projekte anstoßen und wertvolle Erkenntnisse über die Gehirnalterung gewinnen können“, meint Katrin Amunts. „Schön wäre es, wenn wir aus unserer Studie dann ganz konkrete Empfehlungen ableiten könnten, wie man auch im Alter fit bleibt“, betont sie abschließend.


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