Hans-Peter Wego schwingt sich auf den Fahrersitz des bereits schön angewärmten Mercedes Sprinter. Es ist nicht irgendein Kleinbus, sondern Jülichs mobile Lösung „Bürger fahren Bürger“. Und Wego ist auch nicht nur Fahrer, sondern seit Mitte letzten Jahres erster Vorsitzender des Vereins Bürgerbus Jülich e.V. Gerade startet er seine 50-minütige Tour durch die Stadt. An diesem Tag ist es schon seine zweite Runde.
Zwei liegen danach noch vor ihm. Was der Tag bringt, weiß Wego noch nicht genau, denn starker Schneefall ist angekündigt und die Straßen erscheinen irgendwie leerer als sonst.
Hinter Wego sitzt eine Hospitantin, die sich für die Fahrertätigkeit interessiert. Für Ines Hommelsheim war sofort klar, als sie von dem Aufruf im HERZOG gelesen hatte: Das ist was für sie. „Ich fahre leidenschaftlich gerne Auto, und jeder sollte sich gesellschaftlich etwas engagieren“, findet sie.
„Ohne genug Fahrer müssen wir das Angebot kürzen“, erklärt Klaus Krüger, Vorstandsmitglied des Bürgerbus e.V. „Wir haben über 10.000 Fahrgäste im Jahr“, freut sich Wego über das gewachsene Angebot, das nur mit ehrenamtlichen Kräften funktioniere. Doch der Stamm sei von 34 Fahrerinnen und Fahrer auf aktuell 21 zusammengeschrumpft. Das sei der „Generationenwechsel“ erklärt Wego. Das Angebot funktioniere ja hauptsächlich mit Menschen im Rentenalter und die seien irgendwann eben selbst nicht mehr fit genug.
Wie wichtig der Bürgerbus ist, wird auf der Tour schnell klar: An einigen Haltestellen stehen trotz des schlechten Wetters ältere Damen mit Rollatoren, die dringend in die Stadt müssen. Gebe es mal Verspätung des Busses, so liefen gleich die Telefonleitungen heiß, weiß Claudia Tonic-Cober, Mobilitätsbeauftragte der Stadt Jülich.
Wego beginnt seine Tour durchs Heckfeld, am St. Hildegardis Stift vorbei, durch die Innenstadt, am Neuen Rathaus vorbei, auch das Krankenhaus und weitere Seniorenwohnheime werden angefahren. Elf Menschen steigen aur dieser Tour ein, etwa die Hälfte davon mit Rollator. Wego hilft beim Einsteigen und verstaut auch den Rollator im großen Gepäckbereich des Sprinters. Dann zeichnet er den Beförderungsschein ab und tippt statistische Daten in das Display neben dem Fahrersitz. Alles wirkt routiniert und professionell. Vier Stunden dauert eine „Schicht“. Sind genügend Fahrer da, reicht es, wenn jedes Team-Mitglied einmal die Woche fahre, so Wego. Aber natürlich sei das kein „Muss“. Jeder neue Fahrer habe einen „Partner“ an der Seite, bis er oder sie sich sicher fühlten.
„Diese Fahrermannschaft ist auch ein Freundeskreis“, weiß Tonic-Cober, die das Bürgerbus-Team sehr gerne begleitete. Einmal im Quartal gebe es auch einen Stammtisch mit Häppchen, sowie Sommerfeste. Was Interessierte mitbringen müssten? „Empathie, Lust und Freude am Helfen.“ Auch körperlich fit sollten die neuen Teammitglieder sein, denn dass der Rollator mit eingeladen werde, sei ein Alleinstellungsmerkmal des Bürgerbusses, so Krüger. Der Linienbusfahrer dürfe das nicht.
Was Wego motiviert, seit fünf Jahren dabei zu sein? Vom persönlichen Glück ein bisschen zurückzugeben. „Der Bus ist ein Treffpunkt, wo auch geredet und getratscht wird.“ Da gebe es in Jülich eine ältere Dame, die gehe so gebückt, dass man erst helfen müsse sie aufzurichten, bevor sie einsteigt. Aber dafür gebe es immer ein Stück Schokolade, erzählt Wego gerührt. Auf der aktuellen Tour bekommt Wego keine Schokolade, keinen Schnee, dafür aber einen vollen Bus. „Gut, dass wir den haben“, freut sich Ruth Köwen, die in einer Senioren-Residenz wohnt und heute Fahrgast ist.
„Wir bieten Ihnen eine Tätigkeit, wo Sie das Gefühl haben, sie werden gebraucht“, wendet sich Wego direkt an neue Kollegen, die mindestens 21 Jahre alt sein sollten und natürlich einen Führerschein der Klasse B besitzen müssten. Die Kosten für die Weiterqualifikation zur Personenbeförderung trage der Verein. Über die Ehrenamtskarte seien auch viele Vergünstigungen in Jülich drin, ergänzt Tonic-Cober, zum Beispiel freier Eintritt in den Brückenkopfpark.