Essen gehen – so romantisch und gesellig es sein kann, wird im neuen Jahr wohl noch teurer. Die Neujahrsvorsätze vieler Bürger mögen deshalb lauten: Wieder mehr selber zu kochen. Dass das auch romantisch sein kann, hilft dem Gastgewerbe dabei wenig.
Hintergrund für die erwartete Teuerungsrate ist die Entscheidung der Bundesregierung, den Mehrwertsteuersatzes für Speisen wieder auf 19 Prozent anzuheben. Wegen der Corona-Krise, und weil es die Gastronomie besonders hart getroffen hatte, war die Umsatzsteuer für Speisen zum 1.7.2020 auf 7 Prozent gesenkt und wegen der Energiekrise mehrmals verlängert worden. Die zeitliche Begrenzung bis zum Jahresende war dabei kommuniziert worden. Viele Akteure erwarten jetzt, dass das Gastgewerbe diese erhöhten Kosten an die Kunden weitergeben wird.
Dass das nicht ohne geht, bestätigt Josip Rados, Inhaber des Restaurants „Einhorn“ in Jülich. „Wir müssen es weitergeben“, sagt er. Hinzu kämen ja noch andere Kostensteigerungen, die die Gastronomie zu stemmen hätte. Darunter auch die gestiegenen Preise für Energiekosten sowie die höheren Preise für Grundnahrungsmittel. Bundeskanzler Olaf Scholz habe zuvor sein Versprechen gegeben, dass diese Erhöhung nicht komme, ist er enttäuscht über diese „Lüge“.
Rados befürchtet jedoch nicht, dass seine Gäste nun gar nicht mehr essen gehen. Aber vielleicht seltener. Und statt eines Steaks mit drei Getränken werde es dann vielleicht ein Schnitzel mit nur zwei Drinks, vermutet er. Ein gewisser Luxus sei essen gehen ohnehin.
Dass sie auch im nächsten Jahr noch ins Restaurant gehen werden, bestätigen auch Passanten: „Da ich auch im nächsten Jahr noch Hunger habe, klar“, meint das Ehepaar Krebs aus Jülich. Daniel Filser ist geschäftlich in Jülich und löffelt gerade seine Suppe an einem Weihnachtsmarktstand. Ihm bleibe gar nichts anderes übrig, als weiterhin auswärts zu essen, da er beruflich in Jülich sei, erklärt er. Sein Begleiter sieht es jedoch kritisch, wenn die Gastronomen die Preise dann eins zu eins an die Kunden weitergeben würden.
Aus Sicht von Ben Loevenich, selbst Gastwirt und Vorsitzender der Jülicher Werbegemeinschaft, hat sich die Bundesregierung mit dieser Maßnahme verkalkuliert: Er sieht es so, dass sich die geplanten Mehreinnahmen von etwa drei Milliarden Euro durch die jetzige Mehrwertsteuer-Erhöhung am Ende negativ auf die Strukturen auswirkten, weil viele Gastwirte in die Insolvenzen rutschen würden. Die Gewinne sieht er damit wieder verpuffen.
So äußerte sich auch der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA und befürchtet neben steigenden Preisen weitere Schließungen: Laut einer Umfrage sei mit 2200 weiteren Unternehmensaufgaben alleine zwischen Aachen und Porta Westfalica zu rechnen. Für Gesamtdeutschland analysiert der Finanzdienstleister Crif, dass 15.000 Restaurants, Gaststätten, Imbisse und Cafés bereits insolvenzgefährdet seien.
Wie der Besitzer des „Einhorn“ sieht auch Loevenich aber nicht nur die jetzige Mehrwertsteuererhöhung – beziehungsweise das Zurücksetzen in den Ursprungszustand – als Preistreiber. Der Gastwirt nennt unter anderem die Tarifverträge in der Gastronomie, die bis zu 20 Prozent Lohnerhöhungen vorgesehen hätten. „Diese Punkte zusammengefasst führen zu den Problemen in der Gastronomie“, sagt er. Durch innerbetriebliche Prozessoptimierung sei das nicht mehr auszugleichen.
„Der Gast wird mehr Geld bezahlen müssen“, ist Loevenich sicher. Gleichzeitig wirkten die Rahmenbedingungen hemmend auch auf Neugründungen und damit auf die gastronomische Vielfalt. Das gelte auch für Jülich: in den letzten 15 Jahren habe es eine Neueröffnung gegeben. Der Rest sei alteingesessen, weiß der Gastwirt. Und Nachkommen solcher Traditionsunternehmen hätten oft keine Lust mehr zu übernehmen.
Für das „Liebevoll“ gehe er aber jetzt nicht zum ersten Januar rauf mit den Preisen. Diese habe er bereits vor einiger Zeit anpassen müssen. „Ich kann nicht, wie der Supermarkt, viermal im Jahr die Preise erhöhen“, erklärt Loevenich.
Enzo Capizzi, Inhaber des Restaurants Pinocchio, ist der Frust noch deutlicher anzumerken: „Das wird eine Katastrophe sein“, kommentiert er die Mehrwertsteuer-Erhöhung auf Speisen. Auch er wirft Bundeskanzler Scholz Wortbruch vor. Erstmal lasse der die Speisekarte so, dabei gehe er aber auf Risiko. Seine Post mache er heutzutage nur noch mit einem unguten Gefühl auf, verrät er, gerade im Hinblick auf Mitteilungen vom Finanzamt.
Von höherer Stelle bekommen die Gastronomen zumindest argumentativen Rückenwind: „Sie haben eine ganze Branche im Stich gelassen!“, kritisierte Patrick, Präsident des DEHOGA NRW, die Regierungsentscheidung. Für Restaurants, Cafés, Gaststätten, Kantinen und auch für Kita- und Schulverpfleger fürchtet der Verband „drastische Konsequenzen“ oder gar Schließungen.
Der DEHOGA zeigt auf, dass sich der Umsatz im Gastgewerbe immer noch nicht ganz von der Pandemie erholt hat: Im dritten Quartal des Jahres 2023 lag der Umsatz der speisengeprägten Gastronomie real 10,2 Prozent unter dem Vergleichszeitraum im Vorkrisenjahr 2019. Und das, obwohl die Bundesregierung im Juli 2020 den Mehrwertsteuersatz für Speisen in Restaurants und von Verpflegungsdienstleistungen auf sieben Prozent gesenkt hatte. Die Entscheidung war mehrfach verlängert worden, endet aber jetzt. Zu schwer wiegt offenbar ein ungeplantes Haushaltsloch, das darauf wartet, gestopft zu werden.
Ein kleiner Trost: Die Pizza im Auslandsurlaub speist man weiterhin zum ermäßigten Steuersatz: In 23 EU-Staaten gilt nach Angaben des Deutschen Hotel- und Gaststättengewerbes der reduzierte Mehrwertsteuersatz auf Speisen in der Gastronomie.