Wir wissen nicht, ob der Arzt Johann Weyer (1515-1588) ein temperamentvoller Mensch war, zumindest war er medizinisch wohl gebildet und beschäftigte sich mit aktuellen Fragen, die ihn und seine Zeitgenossen umtrieben. Bekannt wurde er als Leibarzt Herzog Wilhelms V. von Jülich-Kleve-Berg, dem er über mehrere Jahrzehnte diente. In dieser Zeit verfasste er eine Reihe von Schriften. Eine erregte aber über die Maßen Aufsehen, was an ihrem Thema lag: der Hexerei. Schon die Bibel warnt vor Menschen mit übersinnlichen Fähigkeiten, den Zauberern. Und die Vorstellung, dass der Teufel als Ausgeburt des Bösen einen negativen Einfluss auf die Menschen hat, war weit verbreitet. Aber erst im 15. Jahrhundert wurden die theologischen und juristischen Grundlagen dafür gelegt, dass man einzelne Menschen – überwiegend Frauen – als „Zaubersche“ ansah. Man unterstellte, dass ein Bund mit dem Teufel es ihnen ermögliche, Schaden über die Menschen zu bringen. Damit wurden dann plötzliche Erkrankungen, Ernteausfälle oder Unwetter erklärt. Wichtiger war aber noch, dass man die Frauen und Männer wegen ihres Bundes mit dem Teufel juristisch belangen konnte. Auf Hexerei stand die Todesstrafe.
Die skeptische Haltung des jülich-klevischen Hofes gegenüber dem Vorwurf der Hexerei unter Herzog Wilhelm V. rechnet man dem Einfluss Johann Weyers zu. Weyer, seit 1550 Leibarzt des Herzogs, gilt als einer der Begründer der modernen Psychiatrie. Grundlage dieser Einschätzung bildet sein Buch „Über die Blendwerke der Dämonen“, das als eine erste bedeutende Schrift gegen die Hexenverfolgungen anzusehen ist und in mehreren Auflagen und Ausgaben erschien. Er reagierte damit auf die Welle an Hexenverfolgungen von 1562 und 1563 in Südwestdeutschland. In zahlreichen Fallbeispielen erläutert Weyer, dass die Buhlschaft mit dem Teufel nur eine Wahnvorstellung der Frauen und Männer sei, wenngleich sie vom Teufel befördert werde. Die Möglichkeit der Existenz von Hexen stellt er damit nicht grundsätzlich in Abrede. Er argumentierte aber, dass die meist alten Frauen an der Melancholie leiden würden und daher offen für Wahnvorstellungen seien. Sie sollten daher eher medizinisch und seelsorgerisch betreut als gefoltert und hingerichtet werden, vor allem da sie als Folge ihrer melancholischen Veranlagung als willenlose Werkzeuge des Teufels zu gelten hätten und damit schuldunfähig seien.
Weyer hatte einen großen Einfluss auf den Herzog, der dafür sorgte, dass alle entsprechenden Verdachtsfälle gründlich untersucht wurden. Meist schalteten sich die herzoglichen Räte persönlich ein und die Prozesse wurden in der Folge eingestellt. Dadurch blieb die Denunziation weiterer „Zaubersche“ unter Folter aus, die im Zweifelsfall zu wahren Kettenprozessen führen konnten. In den Nachbarterritorien, aber auch in den Unterherrschaften innerhalb des Herzogtums Jülich kam es zu weitreichenderen Verfolgungswellen. Mit fatalen Folgen für die unschuldigen Männer und Frauen, die auf dem Scheiterhaufen landeten.