Start Stadtteile Jülich Einige Längen beim „Erfinder des Rheinlandes“

Einige Längen beim „Erfinder des Rheinlandes“

Um gleich eingangs den Künstler selbst zu Wort kommen zu lassen: „Wat wollte ich jesacht haben?“ Dieses typisch rheinischen Kunstgriffs bediente sich Konrad Beikircher bei seinem Gastspiel im KuBa immer wieder einmal. Und genau so hat sein Publikum das wohl auch erwartet.

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Die Freude am Auftritt war deutlich zu sehen: Konrad Beikircher fühlt sich auf der Bühne eindeutig wohl. Foto: Britta Sylvester
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Vor ziemlich genau 58 Jahren, am 19. Oktober des Jahres 1965, um vier Minuten nach vier Uhr – soweit jedenfalls die Überlieferung aus eigenem Munde – schlug die Geburtsstunde des Rheinländers Konrad Beikircher. An diesem Tag stieg der 21-jährige Südtiroler Beikircher in der rheinischen Provinzmetropole Bonn aus dem Zug. Angekommen, um zu studieren, traf ihn zunächst eine herbe Enttäuschung: drei Gleise! Und das sollte nun die Bundeshauptstadt sein? Da habe der heimische Bahnhof doch genauso viele Bahnsteige anzubieten gehabt.

Die große Liebe auf den ersten Blick zwischen Beikircher und der neuen Heimat war das jedenfalls nicht. Dennoch, der revolutionäre Konrad war gekommen, um zu bleiben. Und tatsächlich, „kaum ausgepackt, bin ich 58 Jahre später schon zum Rheinländer geworden“, freute sich ein über beide Ohren strahlender Beikircher auf der Bühne des Kulturbahnhofs. Dort gastierte der 78-jährige „Erfinder des Rheinlands“ jetzt vor vollem Haus. Gut 160 Menschen waren gekommen, um dem wie stets ohne Punkt und Komma aus dem Nähkästchen plaudernden Beikircher zuzuhören. Und es wären noch mehr geworden, hätte die große Halle des Bahnhofs weitere Stühle aufnehmen können. Manch potenzieller Besucher musste an der Kasse enttäuscht weggeschickt werden.

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Foto: Britta Sylvester
In seinem aktuellen Programm zieht der Künstler Bilanz eines Lebens im rheinischen Universum. So jedenfalls verhieß es die Vorankündigung. Im rheinischen Universum unterwegs war Beikircher auch sicherlich, allerhand Anekdoten, Verzällcher und Erinnerungsstücke vor allem an die studentische Vergangenheit Beikirchers rund um die 1968er Jahre waren auch dabei. Das hatte das Publikum allerdings so nicht unbedingt erwartet, so richtig wollte der Funke nicht überspringen. Zu oft ging der Faden in den Geschichtchen über die Ehefrau, liebevoll „ming Festkomitee“ tituliert, die Begegnung mit netten Nachbarn oder auch die Entrüstung über den einen oder anderen Politiker verloren. Weniger wäre hier mehr gewesen. Beikircher hat die „rheinische Dialogführung“, die genau betrachtet eher ein abwechselndes „monologisieren“ ist, zur Kunstform erhoben. Üblicherweise findet der nonchalante Sprachjongleur mit einem typisch rheinischen „Wo woren mer dra?“ seinen roten Faden wieder. Leider wollte das an diesem Abend nicht immer gelingen. Die ganz großen Lacher blieben vor allem in der zweiten Hälfte des Abends aus, die mit anderthalb Stunden Dauer dann auch etwas zu üppig ausfiel.

Gleichwohl stellte Beikircher auch bei seinem Besuch im Kulturbahnhof einmal mehr sein eindrucksvolles Sprachtalent und Gespür für die kleinen Nuancen unter Beweis. Etwa wenn er mit verschmitztem Lächeln einen alten Nachbarn osteuropäischer Herkunft treffend nachahmte, die eigentümliche Aussprache des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl parodierte oder mit unterschiedlichsten deutschen Dialekten jonglierte und selbst Goethe nachwies, des Hochdeutschen auch nicht immer mächtig gewesen zu sein. Seine Bewunderung für den rheinischen „Mutterwitz, vor dem ich die Knie gehe“ und den „unglaublichen Reichtum an Bildern und Frechheiten“ in der rheinischen Mundart belegte Beikircher mit Beispielen aus knapp sechs Jahrzehnten im hiesigen „Universum“. Den schönsten Straßennamen schlechthin machte der Wahl-Bonner Beikircher übrigens im kaiserlichen Aachen aus: „Henger Herjotts Fott“ sei sein unangefochtener Favorit ob der ihm innewohnenden unnachahmlichen Chuzpe.

Foto: Britta Sylvester
Diese Reise durch Beikirchers rheinisches Universum hätte unter dem Strich etwas kürzer und knackiger ausfallen dürfen und ein paar der eher flacheren Witze dürften durchaus dem Rotstift anheimfallen. Von den typisch Beikircher’schen Geschichten wie jene über die „genetisch verankerte Leidenschaft des Rheinländers zur Pilgerfahrt“ und seinen liebevoll-spöttischen Beobachtungen der „Ureinwohner“, etwa dass dem „rheinischen Menschen eine tiefe Sehnsucht nach Schutzheiligen“ zu eigen ist, hätte es dagegen ruhig mehr geben dürfen. Durchaus herzlicher Applaus belohnte den Künstler am Ende des Abends. Rufe nach einer Zugabe blieben aus, diese hatte Beikircher ohnehin kurzerhand bereits in die verlängerte zweite Hälfte des Gastspiels eingebaut.


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