Der 16. November ist ein geschichtsträchtiges Datum. Am Nachmittag des 16. Novembers 1944 wurden im Zweiten Weltkriegs die Innenstädte von Jülich und Düren von Brand- und Sprengbomben der Alliierten in Schutt und Asche gelegt. Nicht, um zwei Städte von der Landkarte zu tilgen, sondern um im Rahmen der „Operation Queen“ den Stellungskrieg an der Rurfront und im Hürtgenwald zu beenden, nach Monaten wieder die Initiative zu ergreifen und die Rur zu überqueren. Über Düren und Jülich wurde unter anderem ein nicht unerheblicher Teil der Logistik für die deutsche Wehrmacht abgewickelt, deren Widerstand den bereits verlorenen Krieg im Westen verlustreich verlängerte.
„Zum 80. Jahrestag der Kriegszerstörung wollen wir den Blick auf diese Epoche weiten“, sagt der Historiker Dr. des. Julian Weller, der an der Konzeption einer Dauerausstellung zur Luftkriegsgeschichte arbeitet. 2024 soll die Ausstellung im Vorburgbereich von IP Vogelsang eröffnet werden, als Außenstelle dient die Zitadelle Jülich, in der es eine ergänzende Präsentation geben wird. Eins ist jetzt schon klar, auch wenn das finale Konzept erst noch vom wissenschaftlichen Beirat und allen Projektpartnern freigegeben werden muss: Eine Ausstellung mit Fotos „vorher – nachher“, die die verlorengegangene Pracht alter (Vorkriegs-)Zeiten zeigen, wird es nicht geben. „Wir stehen an einer erinnerungskulturellen Wegscheide“, sagt der Historiker, der seinen Schreibtisch im Zentrum für Stadtgeschichte in Jülich stehen hat. Die Zeit der personellen Erinnerung, sprich der Erlebnisgeneration, neigt sich dem Ende zu. Nun geht es um die Transformation ins kulturelle Gedächtnis, also um die Frage, wie sich Gesellschaft generell an den Zweiten Weltkrieg erinnert.
Umso wichtiger sei es, das Thema museal zu verorten – und auch den Kontext der Zerstörungen aufzuzeigen. „Es ist eben nicht egal, was vor dem 16. November passiert ist“, sagt Marcell Perse, Leiter des Museums Zitadelle Jülich. Ja, die Bürgerinnen und Bürger der beiden Städte waren Opfer. Aber es gab auch ein verbrecherisches NS-Regime, das mit starkem Rückhalt in der Bevölkerung einen Krieg vom Zaun gebrochen hat, industriellen Massenmord betrieben hat, halb Europa verwüstet hat. „Es geht nicht nur darum, dass Städte zerstört worden sind. Es geht auch darum, dass dies die Folge der Politik der Nationalsozialisten“, fügt Historiker Guido von Büren hinzu.
Initiiert wurde das Projekt durch den Verein Arbeitsgemeinschaft Luftkriegsgeschichte Rhein/Mosel. Zu den Kooperationspartnern gehört unter anderem das LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland und das LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte. Die Stadt Jülich hatte ihren Hut in den Ring bei dem Projekt in den Ring geworfen und Fördermittel erhalten, damit Julian Weller offiziell angestellt werden kann. Für die eigentlichen Ausstellungen in Vogelsang und Jülich, die in der zweiten Jahreshälfte 2024 eröffnet werden sollen, müssen noch Drittmittel eingeworben werden. Das Jülicher Museum bringt seine Expertise ein.
„Alle nutzen den Rekurs auf Geschichte für ihre Zwecke, die Rückbindung an die Faktizität von Quellen geht dadurch verloren“, unterstreicht Marcell Perse, wie wichtig es ist, die Geschehnisse und Hintergründe ebenso neutral wie umfassend in Erinnerung zu halten – um eine Wiederholung zu verhindern. Die Ausstellung wird keinen militärhistorischen Ansatz wählen, sondern auch die Geschichte der Flugcrews erzählen, der Menschen am Boden, der Kriegsgefangenen, die ohne Rücksicht auf Verluste nach jedem Angriff die Schäden beseitigen mussten. Auch die Erinnerungskultur wird musealisiert, um zu zeigen, wie politische und gesellschaftliche Umstände Einfluss hatten. Komplett verzichtet wird auf die Rekonstruktion von Flugzeugen und Waffen. Überreste, Erinnerungen und Erzählungen sollen für sich sprechen. Teil der Ausstellung werden auch die Vor- und Nachkriegsgeschichte sein, Zwangsarbeit und Rüstung, Frauen im Luftkrieg, Luftschutz – und auch die Propaganda der Nationalsozialisten rund um den „Westwall“, die eine Kriegsgefahr simulierte, die es nicht gab.