Dietmar Müller ist seit 2020 Ortsvorsteher in Bourheim. Das ist mit knapp über 800 Einwohnern ein kleinerer Ort, im Westen von Jülich. Es gibt in Bourheim zwei Gaststätten, aber keine Nahversorgung. Außerdem gibt es viele brennende Themen. Welche bewegen die Menschen in Bourheim gerade am meisten?
„Das Dorf erwartet Baugrundstücke. Das letzte Baugrundstück, das erschlossen wurde, war das Schulgrundstück. Kinder gab es aber nicht genug, also wurde keine Schule sondern Häuser darauf gebaut, erklärt Müller. „Mit meiner Familie wohne ich schon seit 25 Jahren auf diesem Grundstück“, deutet er an, wie lange das nun schon zurückliegt. In der Größe von Bourheim müssten Dörfer weiter wachsen, findet Müller. „Und wenn die Stadt Jülich um 10.000 Menschen größer werden will, dann muss auch in den Dörfern was passieren.“ Zuletzt habe die Stadtentwicklungsgesellschaft tatsächlich im Einzugsgebiet von Bourheim ein großes Grundstück erworben. Doch ob überhaupt bereits an einem Bebauungsplan gearbeitet würde, damit daraus irgendwann Bauland werde, daran zweifelt Müller, der selbst Bauingenieur ist.
Ein weiteres wichtiges Thema sei die Bürgerhalle. Diese bestehe im Wesentlichen aus alten Containern mit Anbau, so der engagierte Ortsvorsteher. „Das ist keine langfristige Lösung.“ Gerade für ältere Menschen sei die Halle wegen der im Keller liegenden Sanitär-Anlagen nicht mehr geeignet. Insgesamt müsse klar werden, dass es in Bourheim im Grunde um einen „Dreiklang“ aus Bürgerhalle, Kirche und Feuerwehhaus gehe, die wiederum in einen Einklang gebracht werden müssten: Das Pfarrhaus sei als Versammlungsort von der Pfarrei Heilig Geist mittlerweile verkauft worden. Ein solcher Verkauf könne jederzeit auch noch der Kirche drohen befürchtet Müller, auch wenn es einen Beschluss vom Kirchenvorstand beziehungsweide der GdG gebe, dass jedes Dorf seinen Versammlungsort behalten solle.
Aber es gehe noch um viel mehr als bloße „Versammlung“, weiß Müller: „Die Bourheimer Kirche ist seit über 1000 Jahre an dieser Stelle und stehe teilweise unter Denkmalschutz. Außerdem seien die Kirchenglocken die ältesten im gesamten Bistum, was kaum jemand wisse. Mit der Kirche verbunden sei außerdem ein Kirchenvermögen, dem so genannten „Fabrikfonds – Geld, das von den Ahnen der Einwohner eingezahlt worden sei. Und das fiele mit einem Verkauf an die Pfarrgemeinde Heilig Geist, beschreibt Müller nicht nur sein eigenes „Bauchweh“ mit dieser Angelegenheit. „Bei der Fusion hat Bourheim am meisten Geld miteingebracht.“
Nicht zuletzt sei das Feuerwehrgerätehaus viel zu klein geworden und durch ein Neues zu ersetzen: Nach dem schweren Unfall im September 2021 sei nun ein kleineres Löschfahrzeug im Einsatz, worin aber nicht alle Feuerwehrleute Platz fänden – keine dauerhafte Lösung. Auch wurden Teile der Bürgerhalle dem Feuerwehrhaus zugeschlagen, weil die Anforderungen an Gerätehäuser in den letzten Jahren umfangreicher geworden sind. Diese Verknüpfungen zeigen, dass es eine gut überlegte, übergreifende Lösung der öffentlichen Einrichtungen in Bourheim geben müsse, findet Müller.
Ein großes Thema vor Ort sei natürlich auch das geplante Abgrabungsvorhaben der Firma Siep GmbH und Co. KG am Ortseingang, das sich bereits beim Kreis Düren im Genehmigungsverfahren befinde. Müller versucht auch in diesem Stadium noch einmal zu intervenieren. Komme diese Genehmigung, sei eine Klage dagegen recht aussichtslos, schätzt er. Und dadurch sieht er die Standortqualität von Bourheim am Tagebaurand weiter eingeschränkt.
Auch sehr konkrete und drängende Anliegen der Bürger lässt Müller nicht unerwähnt. Diese wünschten sich mehr Verkehrssicherheit: Hier sei besonders die Kreuzung Adenauerstraße/Radschnellweg kritisch. Es habe schon Unfälle gegeben. Dies ist auch eine der Maßnahmen, die Bourheimer Bürger im Rahmen der Bürgerbeteiligung beim DEK auf die Wunsch-Liste gesetzt hatten. Weiter stehen darauf Vorschläge, um das Fahrtempo im Ort zu drosseln sowie eine bessere Anbindung an die Stadt Jülich durch Radwege und den Öffentlichen Personen Nahverkehr. Die Zukunft des Sportplatzes war ebenfalls ein mehrfach genanntes Thema, denn ein Fußballverein im Ort existiert nicht mehr, so dass neue Nutzungs-Konzepte gefragt sind.
Bezüglich des Dorfentwicklungskonzeptes, das die Stadt Jülich 2021 ins Leben gerufen hatte, glaubt Müller eher nicht an schnelle Lösungen: Von den kurzfristig geplanten Maßnahmen sei aber immerhin der Basketball-Korb am Bolzplatz aufgehängt. „Was ich gelernt habe ist, dass es dicke Bretter und lange Wege sind, und man sich freuen kann, wenn davon irgendetwas umgesetzt wird“, fasst Müller seine Erwartungen zusammen.
Und was vermisst er beim so genannten DEK in Jülich? „Am Ende haben wir ein Konzept-Papier. Und wenn die Gelder dann frei sind, können wir den Antrag sofort stellen“, ist Müller jetzt über die Vorgehensweise der Dorfentwicklungsplaner informiert. Doch das hätte von Anfang an so kommuniziert werden können, dass da nicht automatisch direkt etwas passiere. Die Bürger würden natürlich jetzt Ergebnisse erwarten. Außerdem schlägt Müller vor, die jeweiligen Dörfer ganzheitlich zu betrachten: „Keine Einzelmaßnahmen wie einzelne Schlaglöcher beseitigen, sondern dann lieber zehn Meter Straße neu.“ Dann entstünden auch Synergien.
Der Herzog stellt Fragen
Was muss in den Ortschaften rund um Jülich passieren, damit sie auch in Zukunft attraktive Wohnorte bleiben – oder sich dazu entwickeln? Laut Statistischem Bundesamt wird bis Mitte 2030 die Anzahl der Menschen im Rentenalter um etwa 20 % steigen. Der Verkehr als größter Verursacher von Treibhausgasen, erfordert ein Umdenken, gerade bei der Anbindung der Dörfer an die Stadt – Stichwort Mobilitätswende. Die Stadt Jülich möchte außerdem wachsen, und potenzielle Neubürger brauchen Wohnraum. Gerade zugezogene Städter beteiligen sich aber oft weniger am Vereins- und Gemeinschaftsleben der Dörfer. Dafür Lösungen zu entwickeln ist unter anderem Aufgabe von Dorfentwicklungskonzepten. Wo der Schuh am meisten drückt, möchte der HERZOG mit den Ortsvorstehern in einer Artikel-Serie klären.