Nach einer offenbar erfolgreichen kleinen Rangier-Probe der Castor-Zugmaschine im Juni – einem Gefährt von 30 Metern Länge – soll im Oktober ein Probe-Castor-Transport von Jülich bis nach Ahaus rollen – eine so genannte „Kalthandhabung“, ohne Atommüll. Diese fehle noch für eine Genehmigung durch das Bundesamt für Nukleare Entsorgung (BASE), so erklärt Jörg Kriewel, Pressesprecher der Jülicher Entsorgungsgesellschaft für Nuklearanlagen (JEN). Das komplette Transportregime müsse dafür jetzt einmal durchgeführt werden. Noch in diesem Jahr sei aber mit einer Genehmigung für den Transport zu rechnen, so Kriewel. „Wir brauchen laut Projektplanung zwei Jahre für den Transport aller 152 Castoren“, erklärt er den Zeithorizont dieser möglichen Lösung.
Zum Hintergrund: Seit 2014 gibt es für das Zwischenlager in Jülich, mit 300.000 radioaktiven Brennelemente-Kugeln darin, eine Räumungsanordnung der Atomaufsicht des Landes NRW. Der gesamte Transport sei unfassbar gut gesichert, versucht Kriewel etwaige Gegenargumente gleich im Ansatz abzufangen. Noch nie sei bei einem solchen Transport etwas passiert.
Über dem Atommüll-Transport schwebt allerdings immer noch eine Klage der Stadt Ahaus beim Oberverwaltungsgericht in Münster, denn dort ist der Jülicher Atommüll nicht erwünscht. Was könnte das am Ende bedeuten? Die BGZ Gesellschaft für Zwischenlagerung erklärt dazu, dass die Klage von 2016 in Bezug auf die Aufbewahrung des Jülicher Atommüll in Ahaus zunächst eine aufschiebende Wirkung für den Transport habe. Lägen dann alle Transportgenehmigungen durch die JEN vor, könne eine „sofortige Vollziehung“ beim BASE beantragt werden. Gegen diese könne aber wiederum im Eilschutzverfahren geklagt werden – so die Kurzfassung eines komplexeren Prozederes.
Wie steht es mit der Alternative eines Zwischenlager-Neubaus in Jülich? „Wir beherrschen die Seismik“, da habe das BASE mittlerweile einen Haken dran gemacht, erklärt Kriewel das so wichtige Thema „Erdbebensicherheit“ eines etwaigen Neubaus. „Der Bau an sich ist nicht das Problem. Das Problem ist das Genehmigungsverfahren vorab. Die Nachweise, die Öffentlichkeitsbeteiligung. Wir haben das Problem der Seismik, das andere Zwischenlager so nicht haben“, erklärt Kriewel. Ein besonders wichtiger Punkt sei aber die noch ausstehende Genehmigung der BASE, das Bestandslager für die Zeit des Neubaus weiter betreiben zu können. Vorher gäbe es keinen Spatenstich. Neun Jahre würden dafür kalkuliert. Mit einer solch langen Genehmigungszeit für den Weiterbetrieb habe das Institut jedoch „Bauchschmerzen“, so Kriewel. Im ursprünglich angesetzten Zeitraum von drei Jahren sei ein Neubau aber nicht zu schaffen.
Die JEN sei emotionslos, was die letztendliche Lösung für den Atommüll aus Jülich angehe, betont Kriewel. „Unser einziges Argument ist nur die Anordnung zur unverzüglichen Räumung. Das bestimmt unsere Entscheidung und dem haben wir Folge zu leisten.“ Es müsse die Option umgesetzt werden, die am schnellsten zu realisieren sei.
Der Bund favorisiert klar die Lösung der Castor-Transporte. Wirtschaftliche Erwägungen spielen dabei eine gewichtige Rolle. Derweil hat sich die NRW-Landesregierung für den Neubau eines Zwischenlagers stark gemacht: Sie hat der JEN per so genannter „Einzelermächtigung“ in diesem Haushaltsjahr ermöglicht, ein entsprechendes Grundstück zu erwerben. Dieses sei damit identifiziert und fest reserviert. Nach einem bestimmten Schlüssel würden die Kosten im Realisierungsfall zwischen Bund und Land verteilt, so Kriewel. Wobei der Unterhalt des Zwischenlagers mit 10 bis 15 Millionen Euro pro Jahr der weitaus höhere Kostenfaktor sei. Der Bau werde mit 550 Millionen Euro kalkuliert.
Die Bürgerinitiative „Kein Atommüll in Ahaus“, zweifelt allerdings mittlerweile an der Ernsthaftigkeit der Landesregierung, sich weiterhin konsequent gegen die Castor-Transporte zu stellen. In einem Schreiben unter anderem an Ministerpräsidenten Hendrik Wüst, suchen die Mitglieder Klarheit: „Welche Schritte haben Sie unternommen bzw. gedenken Sie zu unternehmen, um diese Absicht umzusetzen? Die Bereitstellung eines Grundstücks reicht dafür offenbar nicht aus.“ Die Landesregierung habe als Beteiligte am Forschungszentrum Jülich und der JEN genug Einflussmöglichkeiten auf die Entscheidungen, heißt es weiter. Eine Antwort von Ministerpräsident Wüst stand bei der Veröffentlichung noch aus.
Die Hauptargumente der BI gegen die Castor-Transporte: Der atomare Müll müsse nach Ablauf des der Betriebsgenehmigung des Zwischenlagers in Ahaus im Jahr 1936 nach Jülich zurück. Für ein Endlager müssten die Brennelemente außerdem in Jülich abgereichert und konditioniert werden. Das sei eine reine Behauptung, so Kriewel. Erst wenn ein Endlager da sei, könne man die Auflagen bestimmen. Im Idealfall fasse man die Kugeln dafür gar nicht mehr an. Und in Ahaus sei bereits eine Verlängerung der Betriebsgenehmigung in Vorbereitung. In Jülich werde ein Zwischenlager ja auch gar nicht vorgehalten, wenn der Müll einmal weg sei, ergänzt er.