Gebäude sind für rund ein Drittel der CO2-Emissionen in Deutschland verantwortlich. Der Umstieg auf Heizungssysteme, die statt mit fossilen Energieträgern mit erneuerbaren Energien betrieben werden können, ist daher schon länger ein zentraler Baustein für den Klimaschutz. Durch den Krieg in der Ukraine kam hinzu, dass dringend Alternativen zu russischem Erdgas gesucht wurden. Doch der geplante Umstieg auf nachhaltigere Heiztechnologien spaltet die Gesellschaft. Denn diese sind zuweilen deutlich teurer, als es Erdgas oder Erdöl bislang waren, und bringen für die Betroffenen teils erhebliche Umstellungen mit sich. Dabei steht fest: Ohne eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung ist die Wärmewende kaum zu schaffen. Im Projekt ExtrA wird unter anderem am Forschungszentrum Jülich erforscht, wie die Extremereignisse die Akzeptanz von nachhaltigen Heiztechnologien beeinflussen.
Herr Dr. Stöckigt, worum geht es im ExtrA-Projekt?
In ExtrA untersuchen wir, wie sich Extremereignisse auf die Einstellung zu den verschiedenen Möglichkeiten der Wärmeversorgung auswirken. Konkret geht es dabei um die Frage: Ob und wie stark verändern solche Ereignisse die Akzeptanz von Heizungen mit erneuerbaren Energien? Dabei geht es nicht nur um den Krieg, vielmehr um Extremereignisse generell. Der Krieg ist gerade natürlich ein hochaktuelles Beispiel, aber Naturkatastrophen und Unfälle können ebenfalls dazu führen, dass sich öffentliche Einstellungen ändern. Das hat beispielsweise der GAU in Fukushima 2011 gezeigt. Ein anderes Beispiel sind die Hitzewellen der vergangenen Jahre. Zusammen mit den heftiger gewordenen Unwettern und Überschwemmungen haben sie den Klimawandel spürbar gemacht. Ob sich solche Extremereignisse auf langfristige persönliche Entscheidungen wie die über die eigene Heiztechnik auswirken, möchten wir in ExtrA nun untersuchen.
Was war die Motivation für dieses Projekt?
Die Wärmewende ist schon länger Teil unserer Forschung am IEK-STE. Die Motivation für dieses konkrete Projekt war der russische Angriff und die anschließende politische Entwicklung. Die Öffentlichkeit hat erkannt, wie abhängig wir von russischen Energieträgern sind. Daraufhin wurden Alternativen gesucht und Verträge mit Staaten wie Katar geschlossen, die aus menschenrechtlicher Perspektive problematisch sind. LNG-Terminals für Flüssiggas aus Kanada wurden errichtet, das allerdings mit Fracking verbunden ist, was wiederum ökologisch umstritten ist. Gleichzeitig schließen wir den Einsatz dieser Technologie in Deutschland aus. Alle Optionen – auch Wärmepumpen, Solarthermie, Nah- und Fernwärme, Holzpellet-, Brennstoffzellen- und natürlich Ölheizungen – haben ihre Vor- und Nachteile, deren Abwägung sehr komplex sein kann, weil je nach Produktionsart, Importland etc. verschiedene Faktoren relevant sind. Und all diese möglicherweise entscheidungsrelevanten Faktoren, wie beispielsweise CO2-Fußabdruck, lokale Umweltschäden, Menschenrechtssituationen, Energiesicherheit, aber auch Installations- und Betriebskosten oder individuelle Ansichten und viele weitere, können zu ganz unterschiedlichen Einstellungen und Akzeptanzen führen. Wir finden, das ist es wert, wissenschaftlich untersucht zu werden.
Inwiefern sind die Erkenntnisse praktisch relevant?
Am Ende wird es ein Webtool geben, mit dem sich Szenarien modellieren lassen. Es soll zeigen, wie die Präferenzen für die verschiedenen Optionen ausfallen, wenn sich die Wichtigkeit der einzelnen Faktoren verändert. Das Tool kann Entscheidungsträger:innen helfen abzuschätzen, wie hoch die Akzeptanz für verschiedene Optionen ist. Gleichzeitig soll es Bürger:innen aufzeigen, welche Folgen mit den verschiedenen Arten der Wärmeversorgung verbunden sind. Unser Ziel ist es, mit dem Webtool umfangreich über ökologische, soziale und ökonomische Faktoren zu informieren und diese noch stärker ins öffentliche Bewusstsein zu rücken.
Wann ist mit ersten Ergebnissen zu rechnen? Wie ist der Zeitplan?
Unsere Projektpartner an der TU Bergakademie Freiberg haben bereits damit begonnen, die Implikationen der verschiedenen Wärmeversorgungsmöglichkeiten zusammenzutragen. Ab Herbst werden wir am IEK-STE darauf aufbauend eine entsprechende Umfragestudie konzipieren, die zweimal ins Feld gehen soll, einmal zum kommenden Jahreswechsel und einmal zum nächsten. Das heißt, wir können im Frühjahr 2024 bereits mit den Ergebnissen der ersten Befragung arbeiten, die dann schon in Bürgerdialoge einfließen werden, die vom Helmholtz-Zentrum Hereon durchgeführt werden. Parallel dazu wird die FH Aachen daran arbeiten, ein interaktives Webtool zu erstellen. Das Projekt läuft bis März 2026.