Freunde kann man sich aussuchen, Nachbarn nicht. Die Hassliebe am Gartenzaun ist wohl so alt wie die Menschheit selbst.
Der Nachbarstreit ist – leider – ein Klassiker der zivilrechtlichen Auseinandersetzung, die allzu oft vor den Gerichten landet.
Lärmbelästigung, Grillgerüche mit aufsteigenden Rauchschwaden oder das vom Nachbarbaum herabfallende Laub – derartige Alltagsphänomene versetzen Nachbarn immer wieder in geradezu gehirnakrobatisch skurrile Ideenkreationen, um ihrer wechselseitigen Antipathie freien Lauf zu lassen.
Ein über die Rechtsprechung hinaus berühmtes Beispiel für einen solchen absonderlichen Nachbarstreit wurde 1997 vor dem Amtsgericht Warendorf verhandelt (Az.: 5 C 414/97).
Ein junges Paar hatte es im Erdgeschoss eines Mehrfamilienhauses akustisch Tag und Nacht krachen lassen, ob mit lautem Stöhnen oder „Jippie-Rufen“ beim Geschlechtsverkehr. Züchtige Nachbarn fühlten sich in der Ruhe gestört und klagten auf Unterlassung. Zur Verteidigung führte das hyperaktive junge Paar an, dass Sex-Geräusche ihrer Natur nach schwer kontrollierbar seinen und das Haus allemal sehr hellhörig sei. Dem westfälischen Richter fehlte jeglicher rheinischer Humor, so dass er gegen das liebeshungrige Paar entschied und es verpflichtete, künftig jegliche Geräuschentwicklung auf Zimmerlautstärke (?) zu halten.
Eine von abertausenden Blüten, die im Kabinett der Nachbarstreitigkeiten getrieben wurden und werden, aber leider nicht immer so belustigend und bunt sprießend.
Das gute alte Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) bietet mit seinen §§ 903 – 924 einen spezialrechtlichen Tummelplatz von bundesgesetzlichen Nachbarregelungen u.a. zu Wegerechten, Abstandsgrenzen, überhängenden Pflanzen oder Tierhaltung auf.
Dazu treten umfassende rechtliche Bestimmungen aus dem Schadenersatzrecht, Strafrecht, öffentlichen Bau- und Planungsrecht, Umweltschutzrecht sowie vielfältige landesrechtliche Nachbarvorschriften. Ob hingegen allein die rechtliche Betrachtung der komplexen Dimension eines Nachbarstreits gerecht wird, dürfte fraglich sein.
Denn Nachbarn stehen, ob sie es wollen oder nicht, in einer sozialen Beziehung zueinander. Die Nachbarkonstellation, ob unter Eigentümern oder Mietern, beinhaltet letztlich eine Zwangsgemeinschaft, die zumeist unabänderlich ist. Ist diese soziale Nachbarziehung aber erst einmal gestört, kann es vorbei sein mit der so sehr erstrebten Geborgenheit, Sicherheit und Entspannung im den eigenen vier Wänden mit Sonnenterrasse und evtl. Gartenpool. Der Streit mit dem bösen Nachbarn versetzt die so geschätzte häusliche Wohlfühloase allzu schnell in ein Schreckensszenario der emotionalen Anwürfe und zermürbenden Anfeindungen.
Aber wie entkommen aus der Spirale des entbrannten Nachbarstreits? Der eigentliche Auslöser für manche Nachbarstreitigkeiten ist zum Erstaunen mancher Richter oftmals gar nicht mehr ermittelbar. Sehen sich zudem die Streithähne vor Gericht wieder, gibt es zwar in juristischer Hinsicht einen Gewinner. Aber es verlässt eben auch ein Verlierer den Gerichtssaal, der die nächste Gelegenheit zum Gegenschlag nutzen wird, so dass die Freude des Gewinners nur kurz andauern dürfte. Um einem solchen Dauerkonflikt wirksam entgegenzuwirken und ein erfahrungsgemäß zeit- und kostenintensives Gerichtsverfahren zu vermeiden, ist die Mediation ein erfolgversprechendes und gleichermaßen rechtlich sowie menschlich zielführendes Konfliktlösungsverfahren.
Der Nachbarschaftsmediator übernimmt die Rolle des neutralen Vermittlers zwischen den Konfliktparteien, die unter Beratung und Anleitung des Mediators Problemlösungen ausloten. Der als Interessensmittler geschulte Mediator, der in den meisten Fällen der Anwaltszunft entstammt, achtet in der Mediationsverhandlung auf das Einhalten vereinbarter und vor allem respektvoller Gesprächsregeln und lenkt den Fokus der Streitparteien weg von wechselseitigen Beschuldigungen hin zur Verabredung zu einem künftigen tragfähigen Verhaltenskodex. Wird eine einvernehmliche Lösung gefunden, wird diese in einer Abschlussvereinbarung schriftlich rechtssicher und damit für beide Parteien für die zukünftige Koexistenz verbindlich festgehalten. Dieses Verfahren erlaubt beiden – ehemaligen – Kontrahenten, schlussendlich mit erhobenem Haupte aus dem Konflikt hervorzugehen, und zwar selbst- und nicht gerichtlich fremdbestimmt, indem die Kontroverse fair und ohne Verlierer ausgeräumt wurde.
Diese Methode, der sich der Verfasser dieser Kolumne bekanntlich nicht nur im Nachbarrecht in besonderem Maße und mit sehr erfreulichen Ergebnissen seit Anbeginn seiner anwaltlichen Tätigkeit verschrieben hat, ist mittlerweile nach jahrelanger Erprobung in der Rechtspraxis im hohen Maße anerkannt. Die Mediation verkörpert gerade in zwischenmenschlich geprägten Streitfällen der sehr persönlichen Natur in der Regel ein kostengünstigeres, zügigeres und konstruktiveres Verfahren als wenn die Streitparteien auf der klassischen harten Gerichtsbank Platz nehmen, wobei sich sogar zunehmend das Pflänzchen einer gerichtlichen Mediation entwickelt.
Die positiven Erfahrungswerte einer mediativen Konfliktlösung sollten streitende Nachbarn jedenfalls davon überzeugen, es nicht zum Äußersten kommen zu lassen und frühzeitig die (Not)Bremse der Interessensvermittlung zu ziehen. Letztlich können und sollten sich nicht nur streitende Nachbarn zumindest auf den Minimalkonsens verständigen, friedvoll aneinander vorbeizuleben. Manche Erfahrung zeigt dabei im Übrigen, dass umgekehrt ein allzu starkes Näheverhältnis von Nachbarn in Form z. B. ständiger Grillevents oder seliger gemeinsamer Weinabende schneller als gedacht ins Gegenteil versetzt werden kann.