Auch die anspruchsvolle Beleuchtungsanlage tauchte die Bläck Föss in ein völlig neues Licht, so dass sie auf der großzügigen Muschel-Bühne nicht nur musikalisch, sondern auch optisch erneuert wirkten: „Das war eine richtig geile Show“, meinte Kalle Stier aus Jülich, eingefleischter Karnevalist und ehemals Prinz im Karneval. Ehefrau Bettina fand, das waren „Bläck Föss 2.0“. Und sie sei völlig „geflashed“ von dem „neuen frischen Wind“ der Band, die sie schon so lange kenne, und die sich jetzt selbst neu erfunden habe. Damit traf sie den Nagel auf den Kopf, denn in dem breiten Musikstile-Mix sind Tradition neu interpretiert, ohne sie zu brechen.
Schon der erste Song führte das Publikum mitten rein in vergangene Karnevals-Emotionen, das bei „Drink doch eine mit“ sogleich den Zauber kölscher Lebensart verspürte. Im Verlauf des Abends setzten die Bläck Fööss immer wieder Akzente mit Klassikern wie „Katrin“, „Kaffeebud“ und „Achterbahn“ – Songs die immer noch für Stimmung sorgen. Doch sie brachten ihre Lieder in neuer Performance rüber: Bei dem Lied „Schötzefess“ parodierte Sänger und Gitarrist Pit Hupperten einen stramm marschierenden Anhänger der Schützenzunft auf seine Art. Er vergewisserte sich zuvor, ob Jülich noch Schützenland sei, was vom Publikum verhalten bejaht wurde. Nichtsdestotrotz schienen alle an dem Auftritt ihre Freude zu haben. Einblicke in die verschiedenen Millieus des kölschen Umlandes gehörten immer schon zum Repertoire der Band. Sie erntete dafür erste Jubelschreie.
Richtig dollen Applaus und Jubelrufe gab es dann auch für den Klassiker “Buredanz“ in Birkesdörp, mit eigener Tanzperfomance. Und bei dem Song „Wenn et Licht ausgeht em Roxy“ fühlten sich viele an die „gute“ alte Zeit erinnert, wo man sich mit seiner Liebsten noch im Kino traf, um sich näher zu kommen – manche im Publikum mögen sich noch erinnert haben. Alle rückten gerne ein wenig Näher im Dunkeln. Funkig wurde es dann beim alten Song Mikado, während Reggae-Sound bei „Wenn dä Mond üvver Kölle hängk“ zum Tanzen einlud.
Die Kölner Band stellte auch ihre neuen Songs vor, darunter „End d´r Altstad weed en Bud frei“, ein Lied aus der letzten Session, das man so extra für Jülich eingeübt hätte, scherzte Sänger Mirko Bäumer, der seit 2017 Frontmann der Band ist. In dem Lied von 2019, „Die nächste Rund“, besang die Band die gute Zeit vor Corona. „Wir sind noch da und wir bleiben auch. Schön, dass wir noch zusammen sind“, kommentierte er diese auch für Musiker schwere Zeit. In „Eh levve donoh“, ging die Band der Frage nach, ob es jemals ein Leben ohne Krieg, Terror und Hass geben werde – es gab also auch einige ganz aktuellen nachdenkliche Anklänge an dem Abend, doch Feierlaune überwog.
Die personellen Neuzugänge offenbarte Bäumer dann auch bei der Vorstellungsrunde der Bandmitglieder. Gitarrist Christoph Granderath war 2019 für den erkrankten „Bömmel“ Lückerath eingesprungen und ist nun festes Mitglied der Band. Alex Vesper, Schlagzeug, ist Nachfolger von Ralph „Gus“ Gusovius. Beide „Ehemaligen“ ließen schöne Grüße an die Jülicher ausrichten. Bäumer selbst gibt der Band insgesamt ein völlig neues Gepräge. Ein bisschen Beachboy und ein bisschen Schlagerstar, der auch auf starke Performance setzt: Besonders bei den Klassikern „Putschblos“ und „Ming eetste Fründin“, setzte er gezielt sein Becken ein, war mal Jockey und mal Mopedfahrer und unterstützte auch sonst jeden Song hüftkräftig und gestenreich. Dieses Lied Putschblos von 1978 habe er schon als kleiner Junge gehört – er mochte besonders das Banjo, das darin vorkommt. Das sei eine Zeit gewesen, als die Gitarre größer als der Fan war, scherzte Bäumer, der auch in Spanien bei „Buenos dias Mathias“ sein Cerveca di Pedro trinkt. Also ein echtes Peterskölsch.
Wenig überraschend durften die Musiker nach ihrem großen Finale „Du bes die Stadt“ nicht ohne Zugabe die Bühne verlassen und die zirka 500 Muschelgäste hatten sich gerade zum Ende hin erst richtig eingetanzt. Das letzte Lied „Zn unserem Veedel“ hatte es besonders Karnevalist Stier sehr angetan, der sich gleich wieder an sein Veedel in Selgersdorf erinnerte. „Erste Sahne“, kommentierte er immer wieder, „auch vom Equipment her“. Jo Müllers, gebürtiger Holländer, könne den kölschen Dialekt besonders gut verstehen, aufgrund seiner Muttersprache. Sein Bruder hatte mit Frau sogar drei Stunden Fahrt aus Holland in Kauf genommen, um die Bläck Fööss zu sehen. „Das tat so gut nach der Corona-Zeit“, fand Edith Ludwig aus Jülich. Sie höre die Band seit 50 Jahren und sie gehörte zu denjenigen, die auch während des Auftritts einfach nicht stillstehen konnte. Doch das Bedürfnis teilte sie mit einigen im Publikum.
Fotos: Sonja Neukirchen