Start Stadtteile Jülich „Man gehorchte und bejubelte. Bis zur Katastrophe.“

„Man gehorchte und bejubelte. Bis zur Katastrophe.“

Mit Kreide werden die Worte „Schwur von Buchenwald“ auf eine kleine Holztafel gezeichnet, darüber das Datum des 19. Aprils 1945. Damals schworen sich die Überlebenden von Konzentrationslagern und faschistischen Haftstätten in Buchenwald, die Schuldigen grausamer Verbrechen und Morde zu verurteilen. Heute, fast 78 Jahre später, steht Rezitator und Schauspieler Roman Knižka in der Jülicher Schlosskapelle vor der Schülerschaft des Gymnasiums Zitadelle.

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Roman Knižka und das Ensemble Opus 45 vermitteln in Wort und Ton politische Bildung. Foto: Kira Köhler
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Begleitet von dem Bläserquintett OPUS 45 trägt Rezitator und Schauspieler Roman Knižka Auszüge aus dem „Schwur von Buchenwald“ lebhaft vor und schafft dabei eine fast beklemmende Atmosphäre. Das Quintett steigt mit Rufen und Sätzen ebenfalls in die kurze Szene ein und schließlich spielen die Musiker auch schon los. Gespannt lauscht die Schülerschaft den Flöten, Oboen und Co. und lässt sich anschließend auf die Informationen ein, welche ihnen von Knižka spielerisch vorgetragen werden. Dieser klärt über die Schändung der Kölner Synagoge 1959 auf und spielt daraufhin einen kurzen Filmausschnitt ein, welcher den Rezitator als Konrad Adenauer bei einer Rede zur Lage der deutschen Nation zeigt.

Die teils ganz beiläufig erscheinenden Informationen, welche in das Spiel aus Schauspielerei und Musik einfließen, werden von den Zuschauern gierig aufgenommen. Auch das 1968 stattfindende Attentat auf Rudi Dutschke wurde thematisiert. Mit aggressiven Zitaten gibt Knižka die damalige Situation gekonnt wieder. Die Unsicherheit und Fassungslosigkeit beim Publikum waren förmlich zu spüren. Dass der damals 28-jährige angeschossen wurde, weil sich der rechtsextreme Josef Bachmann gegen die demokratische Studentenbewegung auflehnte, schockierte das Publikum.

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Doch neben all der Ernsthaftigkeit wird den Schülern auch ein kleines Lächeln entlockt, als die Darsteller zum Oktoberfestanschlag 1980 kommen und mit einem Bier auf das eigentlich fröhliche Volksfest anstoßen. Sobald jedoch über die damalige Explosion und die 13 Toten berichtet wird, werden die Schüler in die brutale Realität zurückgeholt.

Zitate von Opfern erschaffen mit Hilfe der Musik eine sehr bedrückte Stimmung in der Schlosskapelle. Später macht das musikalische Ensemble auf heutige Rechtsextremisten aufmerksam; Menschen und Jugendliche die ganz gewöhnlich gekleidet sind, auf ganz normale Schulen gehen und sich dennoch Rechtsextremen anschließen. Wie eine Art Schock erfährt man, dass es keine äußerlichen Unterschiede mehr zwischen Extremisten und nicht Radikalen gebe. Dementsprechend sei die Hemmschwelle zur möglichen Solidarität auch geringer.

Bei der Inszenierung fällt besonders die musikalische Untermalung der Szenen auf, welche immer in einem bedrückenden Ton mitschwingt und zum drüber Nachdenken anregt. Das Gesagte kann so besser verstanden und auch nochmal verinnerlicht werden. Eine Zuschauerin beschreibt später, dass die ganze Vorstellung über ein gewisser Marschton in den Musikstücken mitschwang, welcher gegen Ende hin immer schneller und bedrohlicher wurde. Auch die Requisiten, wie zum Beispiel ein Leuchtkasten mit Daten von rechtsextremen Angriffen, unterstützen beim Verstehen geschichtlicher Informationen. Eine weitere Besonderheit ist, dass all die gespielten Stücke aus der Feder von Komponisten stammen, welche selbst Opfer vom Nationalsozialismus oder von Rechtsextremismus waren bzw. sind.

Doch wieso hat sich „Opus 45“ sich gerade für dieses Thema entschieden? Die Antwort liefern die Darsteller selbst, mit Hilfe eines Zitates des italienischen Schriftstellers Primo Levi: „Man gehorchte Adolf Hitler und bejubelte ihn. Bis zur Katastrophe. Und dennoch: Es ist geschehen und folglich kann es wieder geschehen …“. Der Rechtsextremismus ist und war in Deutschland schon immer sehr präsent und wer glaube, dies sei heute nicht mehr der Fall, der wird durch das Beispiel aus dem Jahr 2022 eines Besseren belehrt. „Im Mai vergangenen Jahres konnte durch Hilfe eines Mitschülers nur knapp ein Anschlag auf eine Schule in Essen verhindert werden. Der Täter war 16 Jahre alt. In seinem Zimmer wurden Materialien zum Bombenbau sowie extrem rassistische und antisemitische Schriften gefunden“, trägt der Schauspieler Knižka vor. Es scheint verrückt, wie aktuell ein solches Thema noch heute ist.

Die teilweise selbst musikalischen Schüler waren begeistert von der Aufführung. „Der Soundtrack hat der Inszenierung eine Art Filmcharakter verliehen und das Ganze noch faszinierender gemacht“, schildert ein Schüler seine Eindrücke. Eine andere Schülerin beschreibt die unterschiedlichen Gefühle, welche die Musik in ihr ausgelöst habe. Manche Stücke seien hell und leicht gewesen und andere wiederum eher schwer, dunkel und aufwühlend. Eine weitere passende Beschreibung stammt ebenfalls aus den Zuschauerreihen: „Die Musik spiegelt die Gefühle wider und trägt die Emotionen weiter, die durch die Texte entstanden sind.“ Viele erzählen, sie seien geschockt gewesen von sowohl den damaligen Taten als auch der heutigen Gegenwärtigkeit.

Die Gruppe OPUS 45, habe es sich zur Aufgabe gemacht, gesellschaftspolitische Themen aufzugreifen und sie den Zuschauern mit Hilfe von Musik und kurzen Zeitungsauschnitten, Zitaten von Opfern und Tätern und schauspielerischen Inszenierungen näherzubringen. Sie wollen aufwecken und Aufmerksamkeit für Themen schaffen, die Teil der deutschen Geschichte und Identität sind, auch wenn sie noch so unschön sein mögen. Ihre Motivation sei es, durch Zusammenarbeit über aktuelle Themen zu informieren. Dafür müsse man jedoch die Vergangenheit verstehen und in der Geschichte des eigenen Heimatlandes ein Stück weit zurückgehen. Ziel dieser Vorstellung sei es, das Publikum über die Allgegenwärtigkeit von Rechtsextremismus in Deutschland aufmerksam zu machen. Außerdem appellieren die Künstler daran, wachsam zu bleiben und für die Rechte der Demokratie einzustehen, um solche Katastrophen wie sie leider immer wieder geschehen, zu verringern und zu verhindern.

Die Veranstaltung „Es ist geschehen und folglich kann es wieder geschehen“ des renommierten Bläserquintetts und dem aus Film und Fernsehen bekannten Schauspieler Roman Knižka, wurde von der Victor Rolff Stiftung gefördert und ermöglicht. Der Stiftung sei die kulturelle Bildung von Jugendlichen besonders wichtig, weshalb sie sich für die Vermittlung von gesellschaftlich wichtigen Themen durch die Kunst einsetze.

Mit großem Applaus wurden die Künstler am Ende verabschiedet und zurück bleibt ein beklemmendes Gefühl und das Wissen, dass „es geschehen ist, und folglich auch wieder geschehen kann …“.


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