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Alle können am Rad drehen

Die Stärkung des „T“s in „MINT“: Das war die Idee hinter dem neuen „CycleSpace“ in den Räumen des ehemaligen Bauernhofs am Gymnasium Haus Overbach in Barmen. Im Science College liege der Fokus mehr auf den Naturwissenschaften als auf Technik, erklärt Institutionsleiter Philipp Mülheims. Darum habe man sich überlegt, die vormals „brachliegenden“ Räume für dieses Themengebiet zu nutzen. Nach vielen bürokratischen und Engpass-Hürden kann die Werkstatt fast zwei Jahre nach dem Förderzuschlag im Juli 2021 nun genutzt werden. Am heutigen 29. April wird Richtfest gefeiert.

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Es geht rund auf dem Bauernhof des Hauses Overbach. Frisch eingerichtet worden ist der Cyclespace. Foto: Ariane Schenk
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Das Wort „CycleSpace“ setzt sich aus dem englischen Wort „Bicycle“, also Fahrrad, und „MakerSpace“, einem modernen Begriff für offene Werkstätten aller Art, zusammen. Ziel ist es, Menschen beizubringen, wie sie ihr Fahrrad reparieren oder sogar neue Anbauten daran vornehmen können. Doch diese Verwendung ist nicht die einzige: Der CycleSpace soll für verschiedene, auch nicht fahrradbezogene Projekte nutzbar sein – eine der Öffentlichkeit zur Verfügung stehende Werkstatt. Von Reparaturen über Fragen und Hilfeersuchen bis zur Realisierung eigener Ideen sollen die Räume vielfältig nutzbar sein. Zu diesem Zweck gibt es eine Schraubwerkstatt mit Tischen für insgesamt 16 bis 20 Personen, einen Sozialraum für Pausen, Austausch und zum Händewaschen sowie die Maschinenhalle für größere Projekte und Materialbearbeitung, etwa von Metall oder Holz. Hier sollen unter anderem Drehmaschine, Lasercutter und CNC-Fräse für Projekte genutzt werden können. Die Maschinenhalle können daher aus Sicherheitsgründen nur wenige Menschen gleichzeitig verwenden. Und selbst E-Technik soll im MakerSpace zu bearbeiten sein, wenn es auch aufgrund des selbst auferlegten Fokus’ viele Geräte speziell für Fahrräder gibt. Noch nicht alles steht und ist vorhanden, was auch an den allgemeinen Liefer- und Handwerkerengpässen liegt. Doch die wichtigsten Gerätschaften sollten verwendbar sein, als die Institution am heutigen 29. April mit allen ehrenamtlichen und anderen Akteuren an den Start ging.

Das Fahrrad in den Fokus zu nehmen, war in der Vorplanung im Jahr 2020 schnell beschlossen worden: Gerade auf dem Land ist das Fahrrad für Jugendliche das Transportmittel der Wahl, um sich von Ort zu Ort zu bewegen. Außerdem war zu der Zeit die Entstehung des Pumptracks in Jülich Thema. „Als Jugendlicher hätte ich jetzt nicht das Geld gehabt, um mir jede Woche 20 Speichen von einem Unternehmen neu einbauen zu lassen“, begründet Mülheims die Verbindung lachend. Annika Loevenich, Programmkoordinatorin und Leitungsassistenz des Science Colleges, ergänzt mögliche Arbeitsfelder: „Es sind ganz banale Sachen: Ich muss einen Reifen wechseln, dafür muss ich eine Achse rausnehmen. Wie mache ich das eigentlich? Und was passiert dann mit der Kette?“

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Hilfe zur Selbsthilfe soll der CycleSpace sein. Geplant ist ein öffentlicher Tag pro Woche ohne Anmeldung, allerdings mit Einweisung in die Geräte. Ansonsten könne ein Termin angefragt werden. Das Angebot ist kostenlos. Nur spätere Workshops mit Themen von einzelnen Reparaturen über die Planung von Radtouren bis zum Schweißen und Bauen eines ganzen Fahrrads würden einen kleinen Beitrag kosten, da die Kosten für Fremddozenten und Material gedeckt werden müssten, heißt es. Zu welchen Themen und in welchem Abstand die Workshops abgehalten würden, stehe noch nicht genau fest. Die Interessen des Zielpublikums müssten dafür erst einmal abgewartet werden.

Die „Gerätschaften“ zum Selbermachen liegen für Interessierte parat. Foto: Ariane Schenk

Bei den Angeboten sind dem Alter allerdings keine Grenzen gesetzt. Im bevorzugten Fall kommt „der Großvater zusammen mit dem Enkelkind“ vorbei – und auch Radsport-Clubs könnten die Werkstatt nutzen. Der CycleSpace soll sich außerdem dem Trend entgegensetzen, dass immer weniger Jugendliche Werkzeuge bedienen können. Diese Altersgruppe für Technik zu begeistern ist etwas, dem sich das Science College unter anderem verschrieben hat. Und noch ein wichtiger Punkt: Mit der Attraktivität der Werkstatt als Anlaufpunkt könne das Potenzial für die allseits thematisierte Landflucht sinken, besonders in Bezug auf das Wachstum Jülichs und die Nähe der Via Belgica und des RurUfer-Radwegs.

Nicht nur das Science College steckt hinter dem Cycle-Space, auch der Verein Erfindergeist war an der Schaffung der Räumlichkeiten beteiligt. Ins Gespräch gekommen war man beim Nachbarschaftsdialog des Forschungszentrums. Erfindergeist war selbst damals auf der Suche nach einem MakerSpace oder überhaupt der Frage, ob so etwas in Jülich auf Interesse stößt, blickt Mitglied Karim Al Montassir zurück. Die 14 Mitglieder des Vereins hätten schließlich tatkräftig bei der Einrichtung geholfen. Das bestätigt auch das Science College gerne. Nach der Fertigstellung des Projekts seien sie außerdem sehr an der Metallwerkstatt der Maschinenhalle interessiert. Zudem könne dank ihrer Mithilfe die Vielfalt der Workshopthemen über das Fahrrad hinaus erweitert werden. Ein aktuelles Projekt des Vereins für den CycleSpace ist etwa ein sogenanntes Velobike oder auch Fahrrad-Auto, erzählt Vereinsmitglied Lars Eschweiler.

Ein Hauptkritikpunkt gegen das Projekt war, dass man der lokalen Fahrradindustrie schaden könnte. Dieser wurde auch im Rahmen der LEADER-Förderungsgespräche, in denen schließlich 50.000 Euro mit 20.000 Euro Eigenbeteiligung aus Stiftungs- und Privatspenden das Projekt finanzierten, eingebracht. Das Team hinter dem Cycle-Space findet diese Sorge unbegründet. Zum einen wecke man Interesse und Begeisterung für das Fahrrad generell und liefere somit den Geschäften Material Abnehmende, zum anderen würde die Industrie mit ins Boot geholt. Etwa als Workshopleitung könnten beispielsweise lokale Zweiradmechaniker Expertisen mitbringen.


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