Bereits im Jahre 1857 scheint man Überlegungen zum Bau eines neuen Pfarrhauses angestellt zu haben. Man erwarb damals am 21.04. von Pfarrer Floss ein günstig gelegenes Grundstück – einen Baumgarten – in der Nähe der Kirche zum Preise von 800 Berliner Thalern. Nach der Pfarrchronik schenkte die Zivilgemeinde der Kirche eine weitere Parzelle, die an das bereits erworbene Grundstück angrenzte. Aber erst im Jahre 1898 wird der Plan in Angriff genommen, „weil die jetzige Pfarrwohnung theils ihrer feuchten, theils wegen der engen und dumpfigen [Anmerkung Robert C.: dumpfig = miefig, nicht ausreichend belüftet, stickig; das alte Pfarrhaus befand sich damals auf der gegenüberliegenden Straßenseite und ist heute nicht mehr erhalten] Räume nicht mehr zweckdienlich sei.“.
Pfarrer Grubenbecher, der von 1887 bis 1900 Pfarrer in Broich war, wollte 1000 Mark zu den Neubaukosten beitragen, wenn der Bau noch im gleichen Jahr begonnen würde und ihm die Wahl des Baumeisters überlassen bleibe. Soviel Freiheit wollte man dem Pfarrer aber offensichtlich nicht einräumen, da der Kirchenvorstand im August 1898 Baumeister Busch aus Neuss beauftragt, Plan und Kostenanschlag anzufertigen. Im Dezember 1900 wird eine Baukommission gebildet, die am 16.01.1901 Baumeister Sammeck aus Dürboslar mit der Ausführung des Bauvorhabens beauftragt. Die Baukosten betrugen insgesamt 16.872,02 Mark, wie in der Veröffentlichung „Broich – mein Heimatdorf“, Geschichte und Entwicklung; herausgegeben aus Anlass des 320-jährigen Bestehens der St. Sebastianus-Schützenbruderschaft Broich e.V.– kurz Schützenchronik 1972 – nachzulesen ist. Die Planung und der Bau des neuen Pfarrhauses fiel in die Zeit von 1900-1910, als der Pfarrer Hugo Brühl für die Kirche in Broich als Geistlicher zuständig war. Vermutlich war es auch jener Pfarrer Brühl, der maßgeblich an der Planung und Realisierung des neuen Pfarrhauses beteiligt war, in das er am 17. Juni 1902 einzog.
Aufmerksamkeit erfährt das Pfarrhaus dann erst wieder im zweiten Weltkrieg: Die mehrmonatige Lage an der Hauptkampflinie im Winter 1944/45 und unter anderem die unmittelbare Nähe zur Pfarrkirche wird für das Pfarrhaus zum Ende des 2. Weltkrieges besonders zum Nachteil gewesen sein. Ein junger Mann aus Broich war zu dieser Zeit als Soldat im Ort und schildert den Hergang im Frontbereich als Augenzeuge wie folgt: „Am 21. und 22.11.1944 wurde in Broich die HKL (Hauptkampflinie) gebildet. Zunächst lag in Broich das Infanterieregiment 957 der 363. Division. Täglich kamen einige Pakschüsse auf den Turm, die aber nur kleinere Kratzer hinterließen und das Mauerwerk im wesentlichen nicht erschütterten. Die Giebel der Kirche rechts und links vom Turm hatten einige Durchschüsse. Später wurde die Front umgruppiert und das 1. Bataillon des Regiments 959 kam nach Broich. Ich war bei der Granatwerfergruppe dieses Bataillons. Wir brachten zwei Granatwerfer im Garten von Josef Esser neben der Kirche linnicherseits in Stellung, zwei weitere im Garten der Gemeindehäuser hinter der Kirche. In der Schule war unser Kompaniegefechtsstand, in der Pastorat (Anmerkung Robert Cl.: „Pastorat=Pfarrhaus“) unser VB (vorgeschobener Beobachter).
Am 17.2.1945, morgens um 11 Uhr, kletterte ich mit dem BV-Uffz. Krüger auf dem Kirchturm, um einige Messungen zu machen. Wir waren gerade wieder heruntergestiegen, als um ½ 12 Uhr ein feindlicher 38-cm-Mörser, der auf der Höhe hinter Koslar stand, zu feuern begann. Der erste Schuss ging in das vor der Kirche gelegene Haus von Martin Havertz, das vollständig zerstört wurde. Der 38-cm-Mörser schoss alle 2 Minuten einen Schuss, zusammen 30 Schüsse. Die meisten gingen in die Umgebung der Kirche. Einer zerstörte das mittlere Gemeindehaus und verschüttete eine unserer Granatwerferbedienungsmann- schaften, die dort im Keller saß. Zwei Schüsse gingen mitten in die Kirche. Der letzte Schuss ging auf die Mauerkrone des Turmes und riss Turmhelm samt Hitlerfahne herunter. Es war genau ½ 1 Uhr. Nachher ist kein Schuss mehr gefallen.“ So ist es dem Beitrag von Pfarrer Johannes Nießen in der„Schützenchronik 1952“ zu entnehmen.
Pfarrer Eduard Meyer hielt in der kirchenamtlichen Erhebung über bauliche Kriegsschäden unter der Rubrik „III Bauschäden an Dienstwohnungen“ am 30.06.1946 fest: „Schäden durch Truppenbelegung und Granatbeschuss. Dacheindeckung fast völlig zerstört. Süd-West- und Nord-Seite stark beschädigt durch Granateinschläge. 15 qm Kellergewölbe eingestürzt. Fenster und Türen größtenteils stark beschädigt und zerstört.“ Die Frage in dem Formular nach in der Zwischenzeit ggfs. besorgten Ersatz für noch nicht wieder benutzbare Räume beantwortete Pfarrer Meyer kurz mit „Keiner“, um abschließend noch zu ergänzen: „Wenn nicht der schmutzige Schwarz- und Schmierhandel wäre, könnte vieles besorgt werden.“
Und in einem kirchlichen Visitationsbericht aus dieser Zeit ist zum Pfarrhaus zu lesen: „Infolge der Artilleriestellung im Pfarrgarten von oben bis unten stark beschädigt, zum Teil ohne Zwischenmauern und Fenster.“ (Quellen: Bischöfliches Diözesanarchiv Aachen)
So erinnert sich die Zeitzeugin Maria Pöttgen aus Broich, als kleines Mädchen im Garten des Pfarrhauses im Jahr 1947 einen großen Bombentrichter gesehen zu haben. Die Kirche war durch die Kriegsfolgen schwer beschädigt und nicht nutzbar bzw. erschien abbruchreif. Die Broicher bauten die alte Kirche aber zusammen mit dem neuen Pfarrer Johannes Nießen ab Anfang 1948 trotzdem wieder auf, wozu 18.000 Ziegeln aus den Trümmer der zerstörten Kapuzinerkirche in Jülich genutzt wurden. Bis zur endgültigen Fertigstellung sollte es dauern. So wurde die neue Orgel erst im Jahr 1956 eingebaut.
Zum Apolloniafest 1949 (9. Februar) konnte die erste Messe in der provisorisch hergerichteten Kirche gefeiert werden. Bis dahin dienten ab Mitte 1945 sonntags die links im Pfarrhaus gelegenen Räume und der Hausflur bis zur 1. Etage als Kirchenraum, was mit einer drangvollen Enge verbunden war. „Sämtliche Räume im Untergeschoss der Pastorat, sogar die Treppen aufwärts zum ersten Stock und abwärts zum Keller standen voll Menschen. Jede Treppenstufe hatte ihren ;Stammgast’“, heißt es in der Schützenchronik 1952. Zudem errichtete man nach dem Krieg an der Straßenseite des Pfarrhauses einen provisorischen Glockenstuhl aus Holz, in den man die kleine Apollonia-Glocke hing und läutete. Die Glocke hatte die Zerstörung der Pfarrkirche bis auf einige Durchschüsse und einen Riss überstanden.
Als im Jahr 1980 mit Nico v.d. Molen der letzte Pfarrer Broich in Ruhestand geht, endet auch die jahrzehntelange Funktion des Pfarrhauses als Wohnhaus der Broicher Geistlichen. Trotzdem war es weiter bewohnt. Lange Jahre lebte hier Bernd Dickmeis mit seiner Familie, der bis 1999 als Pastoralreferent tätig war. In einem Teil des Gebäudes befanden sich auch viele Jahre die Büroräume der Pfarre, der andere Teil war später privat vermietet (in den letzten Jahren aber leerstehend).
Das benachbarte Gebäude ist ein Anbau an das Pfarrhaus aus dem Jahr 1975/76 und diente als Pfarrheim. Es besteht aus einem Hauptraum mit etwa 50 Sitzplätzen, einem Nebenraum, einer Küche, Abstellraum und sanitären Einrichtungen. Es wurde von kirchlichen Organisationen und gelegentlich zu Familienfeiern, Jugendfeten (1980er Jahre) oder für andere private Zwecke genutzt. Der Bau wurde nicht von der Kirche finanziert, sondern mit Mitteln der sog. „Coenen-Stiftung“ realisiert.
Bei der Stiftung handelt es sich um Vermögenswerte in Form eines Bauernhofes nebst circa 3,5 Hektar Ländereien, die der Rentner Johann Adam Coenen der Pfarrkirche Broich 1910 unter Bedingungen vermacht hat. Der vermachte Grundbesitz inkl. Inventar sollte „zur Errichtung bzw. Erhaltung eines Krankenhauses, in welchem die Krankenpflege in und außer dem Haus durch katholische Ordensschwestern ausgeübt werden soll; auch soll in demselben – wenn nötig oder zweckmäßig – eine Kinderbewahrschule (Anmerkung Robert Cl.: Kindergarten) eingerichtet werden.“ (Quelle: Bischöfliches Diözesanarchiv Aachen). Hintergrund der Stiftung war, dass die beiden Nachkommen von Johann Adam Coenen als Kind bzw. junger Erwachsener bereits verstorben waren und ihm seine Frau Gertrud im Jahr 1903 vorausging. Sein Sohn Arnold hat als 23-Jähriger kurz vor der Priesterweihe gestanden und so sah sich sein Vater offensichtlich verpflichtet, das Erbe im Sinne des letztlebenden Kindes zu regeln.
Es dauerte aber, bis das Vorhaben umgesetzt werden konnte. Erst am 15.02.1932 konnte mit der Generaloberin der „Töchter vom göttlichen Heiland“ aus Wien eine Vereinbarung über eine Schwesternniederlassung getroffen werden. Es wurde die für die Unterhaltung eines Kindergartens, für Krankenpflege, Nähstube und weiblicher Jugendpflege erforderliche Schwesternzahl zur Verfügung gestellt. Im gleichen Jahr erfolgte der Ausbau des ehemaligen Bauernhofes für den vorgesehenen Zweck. Im Volksmund wurde die Einrichtung fortan „Kloster“ genannt.
Das „Kloster“ wurde im Krieg völlig zerstört und das Trümmer-Grundstück konnte nach dem Krieg nicht mehr den vom Stifter gewünschten Zwecken zugeführt werden. Daher fasste der Kirchenvorstand im Jahre 1971 den Beschluss, das Grundstück als Baustellen für drei Wohnhäuser zu verkaufen. Mit dem Erlös und dem sonstigen Vermögen der Stiftung sollte im Garten des Pfarrhauses ein dem Stiftungszweck entsprechendes Gebäude errichtet werden. Schon 1952 hatte Pfarrer Johannes Nießen beim Bistum im Zusammenhang mit der Coenen’schen Stiftung nach der weiteren Vorgehensweise angefragt und die Errichtung eines Pfarrheimes beziehungsweise Jugendheimes als vordringlich beschrieben. Der Anbau an das Pfarrhaus fand aber wie beschrieben erst später statt und das Gebäude wurde am 29.08.1976 eingeweiht.
Mehr zur Broicher „Kirchengeschichte“: Der geweihte Priester Leonhard Goffiné (1648-1719) schrieb eine bekannte Handpostille, also Erläuterungen zu den Sonntags-Lesungen der Kirche, welche neben der Bibel zu einer der verbreitetsten Werke religiöser Literatur wurde. Für ihn wurde eine Gedenktafel neben der Kirche errichtet, welches sich heute noch dort befindet.