„Ich war immer relativ diszipliniert, außer beim Essen“, lacht Rosemarie David. Als Coach und Mentorin, die früher im Forschungszentrum Bürokaufleute, zeitweise als stellvertretende Leiterin, ausgebildet hat, ist ihr das Thema nicht fremd. Disziplin habe sie immer schon verinnerlicht und gar nicht darüber nachgedacht. Sie sei ihr „so selbstverständlich wie das Atmen“ gewesen. Den bodenständigen Coach nimmt man ihr bei ihrer Selbstsicherheit sofort ab.
Es ist keine klassische Psychotherapie, die bei ihrem Coaching angewandt wird. Es gehe um nachwirkende Verletzungen aus der Kindheit. Coaching ist eine individuelle und zeitlich begrenzte Beratung und Begleitung von Menschen. In der klassischen Definition liefert der Coach keine direkten Lösungsvorschläge, sondern regt im Prozess seinen Klienten dazu an, Klarheit zu finden, Ziele zu hinterfragen oder zu setzen sowie eigene Lösungen zu entwickeln. „Ich versuche immer, mit den Menschen herauszufinden: Was wollen sie? Was würde sie glücklich machen?“ Gerade Frauen seien stark selbstkritisch und neigten dazu, sich einzureden, auf verschiedene Arten nicht gut genug zu sein. „Das ist mit ein ganz großer Teil vom Coaching: Leute dazu zu bringen, sich selbst zu mögen.“ Als Beispiel nennt David auch eine ganz einfache Übung, um das eigene Bild zu ändern: Sich jeden Morgen im Spiegel selbst in die Augen zu sehen und „Ich liebe dich“ zu sagen. Dabei geht es um eine realistische Sicht auf sich selbst, nicht um blinden Optimismus.
Auf die Idee zu ihrer Tätigkeit ist David über Umwege gekommen. Nach ihrer Verrentung habe sie sich „zu Tode gelangweilt. 24 Stunden lang nichts tun, ist anstrengend.“ Möglichkeit genug, um verschiedene Dinge auszuprobieren. Teil dessen war eine spezielle und intensive neunmonatige Methode der Persönlichkeitsentwicklung, die sie bei sich selbst angewandt habe. Dies anderen Menschen unter dem Gesichtspunkt näherzubringen, dass ihr das selbst Spaß gemacht habe, sei daraufhin der Anstoß gewesen. Schließlich seien bei ihrer Tätigkeit als Ausbilderin die Lieblingsaspekte der studierten Sozialpädagogin gewesen, anderen Menschen etwas beizubringen und ihre Entwicklung zu fördern. Die Methode dauere auch nicht so lang wie Psychotherapie. Wichtig sei dabei, für die andere Seite selbst aktiv zu werden, intensiv an sich selbst zu arbeiten und das Erlernte auch umzusetzen. „Ein bisschen Selbstdisziplin gehört schon dazu.“
Coaching ist nicht die einzige Leidenschaft der Mentorin: Sie gehört seit langen Jahren zum Ensemble der Jülicher Theatergruppe „Bühne ‘80“. Früher habe sie dafür diszipliniert in der Küche auf- und ablaufend ihre Texte gelernt, erzählt David. „Ich kann Sachen besser behalten, wenn ich mich bewege.“ Mit einem Großvater, der selbst Laienschauspieler war, und einer Mutter, die ein Talent im Dialektenachahmen hatte, gab es schon früh Berührungspunkte mit der Welt des Theaters. Als sie mit etwa 30 Jahren gerne geschauspielert hätte, traute sie sich allerdings noch nicht. Es sollte noch rund 20 Jahre dauern, bis sie sich ein Herz fasste und zu den ersten Proben gegangen ist. Die ersten beiden Jahre habe sie zunächst souffliert, ehe sie die kleinere Rolle in einem Agatha-Christie-Stück spielen durfte. „Ich wurde ziemlich am Anfang schon umgebracht“, lacht sie über ihre damalige Rolle der Köchin. Aber: „Ich habe festgestellt: Das liegt mir einfach.“ Von da an habe sie sich immer wieder für Rollen gemeldet, später auch Hauptrollen gespielt und war, da ihr das noch nicht genug war, sogar zwei Jahre an der Schauspielschule Aachen. Dort fand sie auch eine Spielgruppe, die klassische Stücke – zuletzt Faust I und II – aufführen. Die besondere Herausforderung für sie hierbei: „Dieses Lernen, in Reimen zu sprechen, lässt gar keinen Platz für Improvisation.“
Zwischen ihren Tätigkeiten gibt es viele Schnittmengen. Als Schauspielerin spielt sie nicht sich selbst, sondern immer die jeweilige Rolle, die sie annimmt. Das kann auch schon einmal aufs Gemüt schlagen. So habe die Rolle der Penelope Miles, die sie im vergangenen November in der Aufführung „Der Gott des Gemetzels“ spielte, sie stark herausgefordert. Es sei das erste Mal gewesen, dass sie sich richtig anstrengen musste. „Da habe ich auch gemerkt, wie sich das auswirkt, wenn man immer mit sich selber spricht: ‚Das kann ich nicht. Das ist eine doofe Rolle. Was für ein blödes Stück‘“, sagt sie lächelnd ganz im Sinne der Themen ihres Coachings. Dann würde es nicht nur für einen selbst schwieriger, sondern auch die Leistung würde schlecht. Das sei eine Art selbsterfüllende Prophezeiung. Dieses Hineinfühlen in die jeweilige Theaterrolle sei aber selbstverständlich auch etwas, das sich beim Einfühlen in andere Menschen beim Coaching wiederfände. Hier sei wichtig herauszufinden, in welcher Welt sich der Mensch vor ihr befinde, welche Erfahrungen und welche Ansichten ihn ausmachten. Man könne nicht von sich auf andere schließen. Von mehr Bedeutung sei hierfür die Geduld. Aber wenn Vorstellung gar nicht mit der eigenen Sicht übereinstimmen, „gibt es auch manchmal Sachen, da muss ich mich selbst disziplinieren“.