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Im Trubel zuhause

Peer Kling im Interview

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Peer Kling | Foto: Gisa Stein
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Wenn sich einer mit Trubel auskennt, dann Peer Kling – Chemiker und Cineast, Sänger, Schauspieler, Lebenskünstler, mitten im Leben mit der Kunst – Kino, Theater, Musik und noch viel mehr…

Herzog: Ist Trubel gut oder schlecht?
Peer Kling:Trubel reimt sich auf Jubel. Ich kann nicht immerzu jubeln. Ich muß auch Kräfte tanken. Das passiert in der Stille. Ich ertrage absolute Stille in Einsamkeit und suche sie zuweilen aktiv. Es ist wie beim Schlaf-Wach-Rhythmus. Im ausgeglichenen Wechsel liegt das Geheimnis.

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Herzog: Wir haben uns vor sehr langer Zeit kennengelernt, als Du die Studi-O-Film-Reihe im damaligen Kino veranstaltet hast – also mitten im Trubel. Du bist im wahren Leben Chemiker, weißt Du eigentlich die Formel für Zelluloid?
Peer Kling: Zelluloid reimt sich auf Cellulose. Das ist ein Polymer aus Zuckermolekülen. Die ersten Filmrollen bestanden aus Nitrozellulose. Ein anderer Name ist Schießbaumwolle. Welche Brandgefahr darin liegt, sieht man in einem meiner Lieblingsfilme: Cinema Paradiso. Das Bundesarchiv archiviert Filme aus diesem Material in einer Almhütte, damit nichts passiert, wenn was passiert. Danach kam Polyester, ist aber als Filmmaterial ja nun auch schon von gestern.

Herzog: Alljährlich stürzt Du Dich in den Trubel der Berlinale. Dein dortiges trubeligstes Erlebnis ist welches?
Peer Kling: Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte. Stell Dir einen Saal vor. Darin Pressekonferenz mit Dustin Hoffmann. 1000 wollen rein. 100 passen rein. Drinnen Blitzlichtgewitter. Draußen: Unmut, Unruhe, Anweisungen der Feuerwehr, Ellebogen in den Rippen.

Herzog: Es ist bestimmt nicht einfach, alle Termine im Auge zu behalten. Wie sieht denn der Klingsche Terminplaner aus? Smartphone-Klingeling oder traditionsbewusst Taschenkalender mit Stift?
Peer Kling: Din A5 Kalenderbuch mit privaten Notizen. Das habe ich mal im Bus in Aachen liegen lassen und fuhr nachts extra noch mal zum Aachener Bushof. „Na welcher von den 100 Bussen war denn Ihrer?“

Herzog: Hast Du schon mal vom Trubel die Nase voll und was machst Du dann?
Peer Kling: Dann gehe ich Ruhe tanken. Ich war mal drei Wochen am Stück bei Schnee allein in einem einsam gelegenen Haus in Nord-Schweden. Der einzige Besuch war Rotwild.

Peer Kling | Foto: Gisa Stein

Herzog: Du bist Mitglied der Bühne 80 und da hast Du nicht nur als Elvis gerockt. Gibt es eigentlich eine Traumrolle? Was reizt mehr: Komödie oder Tragödie?
Peer Kling: Wir spielen ja meistens Komödien. Die kommen besser an, auch schon mal einen Krimi, ok. Beim Film ist die Kategorie Drama mein Ding. Und wenn ich selbst ins Theater gehe, geht es auf der Bühne auch eher tragisch zu. Meine Traumrolle wäre in einem Film einen intelligenten Gutmenschen zu spielen, der aber ziemlich durchgeknallt ist und stets jenseits des Dienstweges operiert.

Herzog: Nun bist du ja laufend in der Weltgeschichte unterwegs, mit Zügen, Flugzeugen, Fahrrad oder auch Motorrad. Reizt der Trubel der Großstädte und Bahnhöfe oder ist das das notwenige Übel zum Erreichen eigener Ziele? Deine Lieblings-Abschiedsszene am Bahnhof ist aus welchem Film?
Peer Kling: Casablanca, auch wenn es ein Abschied am „Flugzeug-Bahnhof“ ist. Ich habe den Film einmal in meinem Berliner Lieblingskino gesehen, im Original, mit einer Einführung von Isabella Rossellini, die so herzerweichend von „meiner Mama Ingrid Bergmann“ sprach. – Mein Wohnzimmer ist sozusagen 250 km lang, weil ich nicht nur in Dürboslar, sondern auch noch in Frankfurt wohne. Das geht nicht ohne Auto. Den Staus weiche ich aus. Dann fahre ich lieber spät nachts. Der Kater schläft dann neben mir im Körbchen.

Herzog: Du singst in mehreren Gesangformationen, also diszipliniertes gemeinsames Singen nach Noten – was ist dabei Dein(e) Trubel-Part(itur)?
Peer Kling: Das Medley Cinemagic ist eine Zusammenstellung bekannter Filmmelodien. Der Auftritt im Kuba mit dem Chor Tonart unter der Leitung von Martin te Laak ist mir eine sehr schöne Erinnerung.

Herzog: Du bist Mitglied im Kunstverein – als beschaulicher Gegenpart zum Bühnen-Trubel oder wie passt das in die Reihe? Kannst Du auch malen?
Peer Kling: Na, ja, jedenfalls habe ich nach meinem Chemie-Diplom noch das erste Staatsexamen für Kunsterziehung für alle Schulformen absolviert. Die werden schon irgendeinen Grund gehabt haben, mir eine eins zu verpassen. Derzeit fehlt mir aber die Muße. Zu viel Trubel.

Herzog: So, da haben wir also Trubel im Reagenzglas, im Kino, Theater, vor und auf Bühnen und im Terminkalender – wie sieht es denn zuhause aus auf dem umgebauten Bauernhof? Alles ganz still und ruhig? Oder sorgen Hund, Katze, Maus für Trubel?
Peer Kling: Mein einäugiger Kater hält mich schon mal in Atem und auf Trapp. Trotz des Chaos kommen Leute aus der ganzen Welt zu mir, wenn sie für ein paar Tage eine Bleibe oder eine Auszeit brauchen. Ich bin ein Freund der Couchsurfer-Philosophie. Nächste Woche kommt Olga aus Sibirien. Das Internet bietet neue Möglichkeiten.

Herzog: Und zum guten Schluss: Wann erscheint eigentlich Dein erster Roman, auf den bereits sehnlichst gewartet wird. Wird es eine Biografie, ein Theaterstück oder ein Drehbuch?
Peer Kling: Ich bin in meinem Leben vielen interessanten Menschen und Situationen begegnet, die ich tatsächlich mal ganz gerne fixieren würde, wie auch immer.


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