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Das Fahrrad des Franz Kurtz aus Jülich

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Abb.: 1925 wurde die Jülicher Radrennbahn eröffnet. Das Erinnerungsfoto zeigt den Kölner Radrennfahrer Paul Ozsmella und das Kurtzsche Fahrrad aus dem Heimatmuseum im Hexenturm
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Der 2. Juli 2017 wird für Jülich ein ganz besonderer Tag werden. Dann nämlich wird das berühmteste Radrennen der Welt – die Tour de France – bei seiner 2. Etappe von Düsseldorf nach Lüttich durch die Jülicher Innenstadt geführt werden. Aus diesem Anlass wollen wir einen kurzen Blick in die Geschichte des Fahrrads in Jülich werfen, die mit einer ganz besonderen Episode aufwarten kann: Der Konstruktion eines mechanisch betriebenen Fahrrads durch den Jülicher Stellmacher Franz Kurtz 1847.
Franz Kurtz wurde 1825 in Pier geboren. Nach der Schulzeit ging er bei seinem Vater, der Schmied war, in die Lehre. Da er als nachgeborener Sohn keine Chance hatte, den elterlichen Betrieb zu übernehmen, wechselte er jedoch nach Jülich, um bei Johann Nelles das Handwerk des Stellmachers zu erlernen. Nach erfolgreicher Ausbildung machte er sich in Jülich als Meister selbstständig. Schon als Kind hatten ihn Räder und die damit verbundenen Möglichkeiten der Fortbewegung fasziniert. Das von Franz Kurtz konstruierte Fahrrad war ein Dreirad, das durch einen Tretkurbelantrieb in Bewegung gesetzt wurde. Das zweirädrige Fahrrad mit Tretkurbelantrieb wurde schließlich in den 1860er-Jahren erfunden und rasch zum Massenprodukt. Damit beginnt die eigentliche Geschichte des Fahrrads, wie wir es kennen. Vorläufer waren Laufräder gewesen. Hier ist vor allem der Freiherr von Drais zu nennen, der sich sein lenkbares Laufrad, die nach ihm benannte Draisine, 1818 patentieren ließ. Ein wichtiger weiterer Entwicklungsschritt wurde in den 1880er-Jahren mit der Konstruktion des Zweirads mit zwei gleich großen Rädern, Hinterradantrieb und Kettenübersetzung vollzogen. Hinzu kamen die verbesserte Bereifung mit Luftreifen (Dunlop) und schließlich eine Bremsvorrichtung. Die Jahre zwischen etwa 1890 und dem Ersten Weltkrieg waren die Hochzeit des Fahrrads. Auch in einer Kleinstadt wie Jülich kannte die Begeisterung für das neue Fortbewegungsmittel keine Grenzen, wie die Gründung mehrere Rad(sport)clubs und die die Ausrichtung von Radrennen zeigen. Diejenigen, die es sich leisten konnten, stiegen aber alsbald auf das Auto um, sodass das Fahrrad als Prestigeobjekt rasch an Bedeutung verlor.
Kehren wir aber zu Franz Kurtz zurück, der mit seinem fertiggestellten Fahrrad 1849 von Jülich nach Köln fuhr. Sicherlich kein bequemer „Ritt“, da die Räder eisenbeschlagen waren und Unebenheiten der Straßen nicht abgefedert wurden. Nichtsdestotrotz erreichte Kurtz Köln, wo er ein gewisses Aufsehen erregte. Das kleinere Vorderrad war durch eine Stange drehbar, was die Lenkung des Dreirads ermöglichte. Durch das Treten auf zwei Fußhebel setzte man die Hinterräder in Bewegung. Hinter dem Sitz war ein Kasten montiert, in dem Kurtz sein Werkzeug zu Außenterminen transportierte. Da Franz Kurtz sich seine Erfindung nicht patentieren ließ, ist er nur eine lokale Größe geblieben. Nur in wenigen Darstellungen zur Geschichte des Fahrrads findet er Erwähnung, obgleich sein Tretkurbelantrieb durchaus vergleichbar ist mit den späteren Entwicklungen. Er hatte jedoch ein Dreirad konstruiert, die Zukunft gehörte aber dem Zweirad. Kurz vor seinem Tod im Jahr 1902 schenkte Franz Kurtz sein Fahrrad dem gerade gegründeten Jülicher Heimatmuseum im Hexenturm. Leider wurde das Original im Zweiten Weltkrieg zerstört. Anhand alter Fotos hat August Höges vom Indener Geschichtsverein 1989 anlässlich des Stadtjubiläums „2000 Jahre Jülich – 750 Jahre Stadtrechte“ ein Nachbau angefertigt, den heute das Museum Zitadelle Jülich aufbewahrt.
Wenn das „Peloton“ der Tour de France am 2. Juli 2017 durch Jülich rast, bewegt es sich also in mehrfacher Hinsicht auf historisch bedeutsamen Boden.

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Guido von Büren
Eine echte Muttkrat und mit unbändiger Leidenschaft für Geschichte und Geschichten, Kurator mit Heiligem Geist, manchmal auch Wilhelm V., Referent, Rezensent, Herausgeber und Schriftleiter von Publikationen, Mitarbeiter des Museums Zitadelle und weit über die Stadtgrenzen hinaus anerkannter Historiker, deswegen auch Vorsitzender der renommierten Wartburg-Gesellschaft

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