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Was ich noch sagen wollte…

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©HZG
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Manchmal ist das ja so eine Sache mit dem Schick-Chic. Also dem Bedürfnis, sich selbst und auch anderen zu gefallen. Das französische „Chic“ beeinflusste bereits vor zwei Jahrhunderten in seiner Bedeutung von modischer Eleganz das deutsche „schick“, das eigentlich rückgebildet wurde von „sich schicken“ und beschrieb, was den Regeln des Anstands entsprach. Schick war also, wenn man sich schicklich verhielt. Doch ganz egal, ob schicker Klamotten-Schein oder schick(lich)es Artig-Sein – alles, was schick ist, ist nicht von Dauer, sondern wird im Verlauf der Zeit infolge gesellschaftlicher Prozesse immer wieder durch Neues revidiert. Bei den Klamotten ist es offensichtlich: Rocklängen, Farben, Stoffe, Schnitte – immer wieder neu erfunden. Und wenn das nicht geht, wird das Alte wieder neu verpackt oder Neues auf alt getrimmt. Die Leggins der 80er tauchen plötzlich wieder ganz schick auf. Mir wären Latzhosen lieber, denn davon hab ich noch welche im Nostalgiekoffer – noch dazu im schicken Shabby-Look. Doch was für Kleidung gilt, gilt auch bei Frisuren, bei Vornamen, Urlaubsorten, in der Kunst, bei Hunderassen, ja sogar in Erziehungs- und Ernährungsfragen und bei Wertevorstellungen. Früher ging man mangels eigenem Fernseher zum Nachbarn Nachrichten gucken, heute ist es schick, sich trotz Zweit- und Drittgerät im eigenen Hause zum „Rudelgucken“ aushäusig zu treffen. Die Generation meiner Eltern verzehrte sich nach Fleisch und Milch, derzeit ist vegane Ernährung Trend. Was heute schick(lich) ist, ist morgen schon wieder hinfällig. Manchmal im wahrsten Sinne. Aufgewachsen in einer DDR-Neubauwohnung war es vor 40 Jahren deutlich schicker, warmes Wasser aus der Wand und Zentralheizung zu haben als Kohleöfen im Stadtrandhaus. Heute stehen die oftmals hin- weil baufälligen Plattensiedlungen leer und auf der Schick-Scala ziemlich weit unten, während die Schickeria in die schick aufgebretzelten Villen am Standrand zieht.

Und doch: Wenn etwas richtig lange schick ist, also dauerschick und Äußerung des Zeitgeistes über Generationen, wird es zum Klassiker. Der VW Käfer, Rouladen mit Rotkohl und Klößen, Hesses „Siddharta“, Queens „Bohemian Rhapsody“, die Yps-Hefte oder auch das „Kleine Schwarze“ für den Cocktailempfang. Auch die Levis 501 ist auf dem besten Wege dorthin. Angekommen ist sie allerdings noch nicht. In einem schicken Jeansfachgeschäft wollte ich mir nämlich vor ein paar Jahren das schicke Teil in neu zulegen, da auch der „Shabby Chic“ seine Grenze hat, wenn beispielsweise die gewollte schicke Zerstörung des Gewebes plus ungewollte an unschicklichen Stellen das Gesamtwerk unbrauchbar macht. Der Verkäufer schickte mich jedoch empört in den Baumarkt, wenn ich mir unbedingt eine alte Arbeiterhose zulegen wolle. Da hatte ich meine Lektion: schick liegt im Auge des Betrachters, modisch in den Warenlagern der Verkäufer. Für die einen bedeutet schick, sich dem gerade geltenden modischen Zeitgeist anzupassen, für andere ist schick möglichst große Abwechslung oder der Wunsch nach Einzigartigkeit. Und für manche ist schick auch einfach nur der Ausdruck des individuellen Lebensgefühls, der aktuellen Stimmung oder von Sehnsüchten. Die knarzende Lederhose, die schlabberige Jogginghose, die zarten Spitzenddessous, das rauschende Brautkleid. Und für mich immer schick: rote Schuhe…

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