Start Magazin „Mond“ als Marketinggag

„Mond“ als Marketinggag

„To the Moon“ - Die Mondlandung als dramatisch-komische und romantische Lovestory. Peer Kling hat sich für die aktuelle Kolumne als Testseher engagiert.

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Peer Kling. Foto: Volker Goebels
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Mit diesem fetzig spritzigen Unterhaltungsfilm feiert die stolze Frau mit der Fackel in der Hand zwei hübsche Geburtstage mit einer (Film-)Klappe: Den 100. von Columbia Pictures (Columbia steht immer noch drauf, aber, sorry, Sony ist längst drin) und den 55. eines Zitates aus den Top Ten der berühmtesten der Menschheitsgeschichte: „Dies ist ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein riesiger Sprung für die Menschheit.“

Regisseur Greg Berlanti (52), der bislang vor allem erfolgreich für US-Fernsehserien verantwortlich zeichnete, verballhornt die Mondlandung von 1969 als Lovestory mit frechen Dialogen und einer Anleihe an die Verschwörungstheorie, dass es sie nie wirklich gegeben habe. „The Show must go on, hoch lebe Amerika!“ ist zusammengefasst der Slogan für die Zielgerade. Und das Ganze ist zum Mitwibbeln, denn heiße Rhythmen durchziehen den Film mit Songs der 60er und frühen 70er Jahre der Stilrichtungen Jazz, Soul, Rhythm and Blues oder Glam Rock mit Titeln wie: „Fly me to the moon“ (Es gibt 100 Versionen); „Nothing can change this love“ (Sam Cooke); „Do you like good music?“ (Arthur Conley) oder „Get it on“ (T. Rex). Die Popkorn-Fresser mit ihren großen Tüten im Alsdorfer Couch-Kino kauten im Takt.

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Ernster Hintergrund: Als 1957, mitten im 42 Jahre lang anhaltenden kalten Krieg, die Sowjetunion den ersten künstlichen Erdsatelliten in die Erdumlaufbahn schoss, notierten die US-Amerikaner das Wort „Sputnikschock“ in ihrer Geschichtsschreibung. Zudem folgte, ebenfalls unter russischer Regie, die erste unbemannte harte Mondlandung 1959 und der erste bemannte Raumflug mit Juri Gagarin an Bord, 1961. Das Ost-West-Wettrennen in der Raumfahrt war nicht nur ein stellvertretendes Kräftemessen der beiden um die Weltmacht konkurrierenden Gegner, denn eine Variation der Trägerrakete, die dem Sputnik1 zu Höhenflügen verhalf, wäre schon damals als nuklear bestückte Interkontinentalrakete in der Lage gewesen, die USA vom Ostblock aus zu erreichen.

Die Raumfahrt war also weit mehr als nur ein teures und Prestige trächtiges Hobby der beiden Blöcke. Die Vormachtstellung im Blick, ließen die Weltmächte stellvertretend den Raumfahrts-Rubel und -Dollar rollen. John F. Kennedy hat 1961, zwei Jahre vor seinem Tod, sinngemäß einen US-Amerikaner als Mann im, nee, auf dem Mond gefordert, und zwar noch im selben Jahrzehnt, sichere Rückkehr inklusive. Das hat zwar letztendlich funktioniert, aber in Zeiten des Vietnamkrieges brach der Finanzierung der Boden weg. Genau diese zu retten, ist nun der Abend füllende Auftrag von Hauptfigur Kelly, brilliant und immer hübsch Po wackelnd mit eng anliegendem knallroten Fummel, verkörpert Scarlett Johansson genial die Rolle.

Eigentlich gehört die Supermarketing-Frau US-amerikanischer Prägung mit dem Lebensinhalt, „den Mond zu verkaufen“ als erfolgreiche Betrügerin hinter Gitter, aber der Zweck heiligt die Mittel. Lügen, Fälschen, Täuschen – kein Problem, wenigstens eine Gemeinsamkeit in Ost und West. Ihr Gegenspieler oder Partner, na ja, Lover in spee, ist der für den erfolgreichen Apollo 11 Start verantwortliche coole Launch-Direktor Cole Davis, dargestellt von Channing Tatum. Der ist nervös, denn 1. ist das vorher schon ´mal gründlich schief gelaufen, 2. ist er eigentlich eine ehrliche Haut und 3. kommt er jetzt über die Bee Gees zu seinem eigentlichen Einsatz: „To love somebody“. Die historischen Helden, die drei Männer im Mond – sag´ mal deren Namen auf! – verblassen in diesem Film. Ein schwarzes Kätzchen als beste Nebendarstellerin stiehlt ihnen die Show, klar ´ne Frau, oder Fräulein, who else? Eigentlich ist das Thema der reine Wahnsinn und eigentlich sehr ernst, aber Du wirst Spaß haben. So ist das halt. Cornel hat den Film für September im Kuba-Kino vorgesehen.


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